Als Wochenbett bezeichnet man die ersten sechs bis acht Wochen nach der Geburt. In dieser Zeit bildet sich die Gebärmutter zurück, eventuelle Geburtsverletzungen heilen ab, die Milchbildung kommt in Gang und die Eierstockfunktion setzt wieder ein. Das Wochenbett. Eine turbulente erste Zeit – für die ganze Familie.

40 Wochen und vier Tage war ich schwanger. schwanger mit unserem Regenbogenbaby, das mich nun nach der Fehlgeburt im Mai letzten Jahres so so glücklich macht. Dickbäuchig trug ich dieses Kind unter meinem Herzen, bis es herangereift war, um unsere Familie (vorerst) zu vervollständigen. Und mit der Geburt am letzten Freitag wurde eine neue Ära bei Familie Nimmerland eingeläutet. Wir sind jetzt Eltern von gleich zwei kleinen Erdenkindern.
Ja und irgendwie fühlt es sich fast an, als hätte jemand den Repeat-Knopf gedrückt. Aber nur fast. Denn auch wenn wir das hier schon ein Mal alles erlebt haben, ist dieses zweite Mal doch ganz anders als wir in Erinnerung haben, anders als erwartet und vor allem anders als erhofft. Meine Gefühle schlagen Purzelbäume, ich versuche das Chaos in meinem postnatalen Gehirn zu sortieren, mich in der Gefühlsachterbahn gut anzuschnallen, damit ich nicht den Halt verliere. Und doch… mich trifft es immer wieder: das Gefühl von Hilflosigkeit.

Aktuell befinden wir uns im Wochenbett. Also ich. Samuel und Niklas betüdeln mich, schaffen mir Gemütlichkeit und Wärme. Und ich darf kuschelnd mit Nummer 2 im Bett liegen, unserem Mio Oscar. Mann, was haben wir gelacht. Haben wir doch echt fast 40 Wochen lang das Gefühl gehabt, dass wir ein Mädchen bekommen. Und jetzt liegt da ein kleiner Bub und strahlt uns an. Aber so ist das Leben: voller Überraschungen. Jedenfalls bereuen wir es keine Sekunde, uns vom Geschlecht überrascht lassen zu haben.
Aber wo war ich stehen geblieben? (Hallo, Stilldememz, bist du auch wieder da? Na dann mal herzlich willkommen!) Achja, Wochenbett. 40 Tage soll es dauern. Für jede Woche Schwangerschaft einen Tag, oder wie? 40 Tage Wochenbett, die dazu dienen sollen, dass die Mutter sich von der Geburt und der Schwangerschaft erholt. Denn egal wie angenehm beides war, hat der Körper doch eine unfassbar anstrengende Arbeit geleistet.

40 Tage dauert es, bis die Gebärmutter sich zurückgebildet hat und Geburtsverletzungen vollständig abgeheilt sind. Ein langer Prozess, der Ruhe und Schlaf benötigt. 40 Tage, um sich kennen zu lernen. Sich als Familie neu zu sortieren. Jeder bekommt eine neue Rolle und muss sich in diese erst einfügen. Das erfordert Geduld, Offenheit und vor allem ganz viel Zeit. 40 Tage Schonfrist, bis der Alltag einen einholt.

Wochenbett heißt Urlaub für Mama und Körper. Baby-Flitterwochen sagt man auch im Volksjargon. Nun, wie flittern fühlt sich das hier gerade nicht an. Eher wie schlittern. Schlittern in ein neues Leben. Ohne wenn und aber und ohne mal Stop drücken zu können. Ohne stehen zu bleiben, um sich zu gewöhnen. Nein. Wir sind da voll reingeschlittert, trotz der vielen Gedanken die wir uns vorher gemacht haben. Denn vieles ist anders als wir es uns ausgemalt haben. Nicht unbedingt schlechter. Aber eben anders.

Anders als bei unserem ersten Mal Wochenbett, bei dem ich mich die ersten Tage wie in einem Rausch fühlte. Voller überwältigender Glücksgefühle, ständig den Tränen nahe, ständig weinte, schwitzte, lachte und bei dem das Stillen so höllisch schmerzte, dass ich kurz davor war, alles hinzuschmeißen. Ich erinnere mich gut an die erste Zeit mit Samuel. Alles war neu, dieses kleine Baby war so zerbrechlich und jeder Handgriff musste erst geübt werden. Ich habe echt schon viele Babys gehalten, aber beim eigenen Kind ist jeder Griff was völlig anderes. Mann, ich hatte solche Angst, beim Wickeln etwas falsch zu machen. Die kleinen Ärmchen schienen so verletzlich. Und doch haben wir es geschafft, in all dem Gefühlschaos irgendwie die erste Zeit zu genießen und nur für uns zu sein. Ein paar Tage waren wir damals nur zu dritt, bevor wir Besuch zuließen, sind geschlittert und geflittert. Haben Stunden lang gekuschelt, Haut an Haut – fürs Bonding und fürs Herz. Und ich hab geschlafen, oft den ganzen Tag. Mann, war das schön. Erholsam und schön.
Aber die ersten Tage waren schnell vorbei und dann holte uns Müdigkeit und Erschöpfung ein. „Ihr seht müde aus!“ waren die Worte von Niklas‘ Bruder bei dessen ersten Besuch. Ja danke auch und hallo Wochenbett. Und diesmal?

Diesmal fühlt sich ebenfalls alles neu an. Vieles ist gleich aber vieles erfordert auch noch mehr Geduld. Das abendliche Einschlafen ist schwer und tagsüber ist noch wirklich viel an Schlaf zu denken. Einer ist immer wach und Erholung klappt nur, wenn Niklas mir alles abnimmt. Was er meistens tut. Aber dann ist da noch mein Gefühlschaos und Einschlafen ist echt schwer, wenn das Gedanknkarussell Runde um Runde seine Kreise zieht. Werde ich allen gerecht? Mache ich das gut? Reicht meine Liebe aus? Es ist ein Kommen und Gehen von Trauer, Angst und Freude, ein Wechselbad der Gefühle. Pränatal hatte ich mir das anders vorgestellt, mit den selben Gefühlen wie bei Samuels Geburt gerechnet. Aber nun ist da dieser Druck perfekt zu sein, keinen zu vergessen, alle gleich zu lieben und mich selbst damit gut zu fühlen. Gar nicht so leicht. Und dann sind da noch andere Veränderungen. Beim Stillen kann ich mich nicht nur auf Mio konzentrieren. Denn da ist auch noch mein Erstgeborener, der wahlweise das Baby streichen, an meine Brüste will oder Quatsch in der Wohnung macht. An dieser Stelle wünsche ich mir eine Überwachungskamera in jedem Raum oder ein Kindermädchen. Nein, Spaß bei Seite. Und geht es gut. Wirklich.


Aber es ist alles eben ein wenig anstrengender. Aufregender. Vor allem für Samuel. Denn er ist jetzt der „große“ – ein Ausdruck, den ich eigentlich nicht mag, denn mit seinen 22 Monaten ist er selbst noch so klein und verletzlich. Für ihn ist Mio eine riesen Umstellung, auch wenn wir versucht haben, ihn bestmöglich auf das Baby und die kommende neue Situation vorzubereiten. Aber er bekommt eben täglich so viel neuen Input. Plötzlich sind Mama und Papa nicht mehr nur für ihn da, sondern versorgen ein Neugeborenes, das zu 99% meine Aufmerksamkeit und Nähe fordert. Plötzlich sind da so viele neue Geräusche, die es einzuordnen gilt. Plötzlich kann man im Bett nicht mehr hemmungslos toben. Plötzlich ist man nicht mehr allein, da ist immer das Baby. Plötzlich steht die ganze Welt Kopf. Das zu verstehen und zu verarbeiten ist schwer. Unsere Abende sind unruhig. Oft dauert es Stunden, bis Samuel fest schläft. Aber es wird besser, da bin ich ganz sicher. Wir fordern deshalb gar nichts von unserem „Großen“, sondern halten ihn ganz fest in unseren Armen und zeigen ihm, dass sich eine Sache absolut gar nicht verändert hat: unsere Liebe zu ihm. Denn mit Liebe, Geborgenheit und Verständnis werden wir unsere neue Familienkonstellation wuppen.

Mich beschäftigt gerade so vieles. Seelisch bin ich angreifbar, verletzlich. Ich fühle mich ganz offen verwundbar und vielleicht ist es mir gerade deshalb so wichtig, meinen Gemütszustand hier festzuhalten. Ich habe das Bedürfnis mit vertrauten Personen über die Geburt unseres zweiten Sohnes zu sprechen, um diese wundervolle Erfahrung besser verarbeiten zu können. Denn auch wenn wir eine ganz wundervolle Geburtsreise hatten, ist es ein einschneidendes Erlebnis. Ich weiß nicht, was die nächsten Wochen noch mit sich bringen werden. Wird es Freude sein, Freude über den Neubeginn des Lebens? Oder Trauer? Trauer über die Verabschiedung des alten? Ich weiß es nicht. Aber das ist vielleicht auch gut so.

Alles Liebe,
eure Jasmin

Tipps fürs Wochenbett gibt es hier.