Das frühe Wochenbett. Für mich ist das eine wunderbar magische erste Zeit, in der ich mich fühle, wie in einer Blase.
Ich versuche zu verstehen, nein, zu begreifen, dass dieses Wunder, das ich so lange unter meinem Herzen trug, nun in unseren Armen liegt. Ich rieche den Duft von weicher Babyhaut. Streichle die kleinen feinen Härchen im Nacken. Bin voller Liebe, Achtsamkeit und Wärme. Unsere Wohnung strahlt Geborgenheit aus. Sie ist unser Nest, in das wir uns zurückziehen.

Das frühe Wochenbett heißt auch, dass ich weine, grundlos, weil die Hormone Achterbahn fahren. Meine Brüste spannen, der Wochenfluss lässt mich spüren, dass die Schwangerschaft wirklich vorbei ist, mein Bauch ist weich und unförmig. Schlaflose Nächte, gereizte Brustwarzen. Und trotzdem: ich fühle mich stark, weiblich. Wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich nicht nur die tiefen Augenringe, sondern eine Glückseligkeit, die von innen kommt. Meine Augen strahlen und meine Wangen sind rosig vor Freude.

Das frühe Wochenbett soll nur mir, meinem Mann und den Kindern gehören. Wir möchten uns als Familie kennen lernen, einander entdecken und uns annähern. Wir kuscheln gemeinsam, wir lachen gemeinsam, wir weinen gemeinsam. Diese erste gemeinsame Zeit wird nie wieder zurück kommen, sie ist ein Geschenk. Unsere erste Familienzeit. Ich möchte mir diese Blase noch eine Weile bewahren. Ein paar Tage noch, wenigstens. Sie ist das kostbarste für mich. Ich möchte sie gerne konservieren, erst den Pause- und dann den Repeatbutton drücken. Stattdessen sauge ich jede Millisekunde auf, bin dankbar für zwei gesinde Kinder und die Zeit, die wir haben. Das frühe Wochenbett. Aufregend, wunderbar und einzigartig.

Bei Instagram habe ich diesen Text veröffentlicht, woraufhin mich zahlreiche Nachrichten mit der Frage, wie unsere Familie und Umfeld auf unser Einigeln im Frühwochenbett reagiert, erreichten. Und auch in den Kommentaren wurde das hin und wieder angesprochen. Ich habe den Eindruck, dass meine Gedanken und Gefühle genau das sind, was viele, vielleicht alle Frauen sich wünschen. Ein ruhiges Ankommen als Familie in den ersten Tagen nach der Geburt. Ich habe das Gefühl, dass das aber schlichtweg oft nicht möglich ist, weil die Familie das Baby möglichst schnell kennen lernen möchte. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es schwer fällt, die Familie „auszuschließen“, ich habe oft das Gefühl, vor allem die Großeltern sehr damit zu verletzen. Dass ich Ihnen ihren Enkel vorenthalte verursacht in mir Schuldgefühle. Ich versuche diese aber weitestgehend zu ignorieren, denn wenn ich in mich hinein höre, weiß ich, dass ich diese Zeit im frühen Wochenbett für mich, meinen Partner und meine Kinder so intensiv genießen möchte, wie nur möglich.

Ich schreibe immer vom frühen Wochenbett – insgesamt dauert die Schonzeit für eine Frau nach der Geburt 40 Tage, also sieben Wochen. Das frühe Wochenbett ist dabei die wichtigste Phase für die Erholung des Körpers und dauert 10 Tage. In dieser Zeit passiert so viel. Die Milchproduktion beginnt, der Hormonhaushalt stellt sich um, Geburtsverletzungen heilen ab, die Gebärmutter bildet sich zurück. Man findet sich wieder zwischen Spucktüchern, den ersten vollen Windeln, schläft kaum. Alles dreht sich wie ein Hamsterrad unaufhaltsam vorwärts, es ist fast unmöglich ausreichend zu schlafen, zu essen, sich um das Neugeborene zu kümmern und den Haushalt zu schmeißen (okay, letzteres ist auch wirklich nicht notwendig). Stellt man sich den Tag wie ein Kuchendiagramm vor, fällt auf, dass kaum noch Zeit für Besuch bleibt, will man dem Körper die notwendige Zeit für Erholung geben. Nach 10 Tagen hat sich alles soweit eingespielt, dass man es ein wenig leichter hat. Man schafft es vielleicht vor 15 Uhr unter die Dusche und muss nicht vier mal neu anlegen, bevor das Baby sich in der richtigen Stillposition befindet. Man wird langsam routinierter, sicherer im Umgang miteinander und die Hormone sortieren sich langsam.

Jetzt ist man bereit für Besuch. Vielleicht auch erst ein paar Tage später, das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe ein paar Tipps für ein stressfreies (Früh)Wochenbett für euch zusammengestellt.

7 Gründe, warum du im Frühwochenbett keinen Besuch empfangen solltest

1. Die intensive erste Zeit, in der dein Baby nur schläft und gefüttert werden möchte, kommt nie mehr zurück. Koste sie in vollen Zügen aus! Der Neugeborenenzauber verfliegt schneller als ihr gucken könnt und dann seid ihr wehmütig. Also genießt jede Sekunde mit ganzem Herzen.

2. Du fühlst dich verletzbar. Du blutest, die Geburtsverletzungen schmerzen dich, die Nachwehen sind fies (um genau zu sein: sie sind ein Arschloch – entschuldigt bitte meinen obszönen Ausdruck!) und du schwitzt womöglich sehr viel. Kein besonders schönes Gefühl, bei dem man gerne Besuch empfängt. Bevor du also wertvolle Zeit investierst, um doch für den Besuch adrett herzurichten, sag ihn doch lieber gleich ab!

3. Liegen, liegen, liegen! Die Rückbildung funktioniert am besten im Liegen. Nicht im Stehen, nicht im Sitzen und schon gar nicht beim Ausflug in ein nettes Café (alles schon gesehen: Mütter, die einen Spaziergang machen ein paar Tage nach der Entbindung). Es heißt nicht umsonst WochenBETT und nicht WochenCOUCH. Kuschelt euch unter eurer Decke ein und lasst den Rest euren Partner übernehmen, oder bestellt etwas beim Lieferservice, statt Besuch zu empfangen und diesen zu bewirten. Euer Körper wird euch die Ruhe danken.

4. Euer Baby ist noch lange klein und süß. Alle meinen immer, das Baby möglichst schnell sehen zu müssen. Aber warum eigentlich? Für einen Außenstehenden ist euer Baby auch nach 10 Tagen oder länger richtig muckelig klein und niedlich. Wirklich! Auch wenn euch selbst euer Baby dann vielleicht schon sehr viel reifer vorkommen mag.

5. Ach du Schreck, die Milch ist weg. Bei zu viel Stress versiegt die Milch.  Und das muss gar nicht unbedingt körperlicher Stress sein, die Psyche ist hier der Knackpunkt. Ich kann mich noch gut an die erste Babyzeit mit Samuel erinnern und dass ich mir wegen angekündigtem Besuch Stress machte. Ich wollte allen zeigen, dass wir alles im Griff haben, dass die Wohnung aufgeräumt ist – was man eben so denkt. Den Tag nach dem Besuch lag ich weinend im Bett, legte mein Baby immer wieder an, weil es Hunger hatte – und ich an diesem Tag zu wenig Milch.

6. Darf einer, dürfen alle. Wenn man Besuch zulässt, dann hat man entweder die Qual der Wahl und lässt nur ganz bestimmte Personen kommen, oder aber es dürfen alle kommen. Ersteres wird diejenigen verletzen, die nicht eingeladen werden, letzteres wird unfassbar anstrengend für euch! Also vielleicht besser ein bisschen abwarten mit dem Besuchermarathon.

7. Das Baby ist überfordert. Aus dem Bauch kennt das Baby nur Dunkelheit, dumpfe Geräusche, Wärme. Ist es erst einmal geboren, muss es sich an so vieles auf einmal gewöhnen. Es ist hell, es ist laut, es ist kalt, Mamas und Papas Stimmen klingen plötzlich ganz anders und dann ist da noch die vielfältige Welt der Gerüche. Dazu kommt, dass es lernen muss zu trinken – im Bauch musste es nur den Mund öffnen – Und die Verdauung wird angeregt, was oft mit Bauchschmerzen einher geht. Kommt nun auch noch Besuch mit anderen Stimmen, anderen Gerüchen  (Deo, Parfum, Rauch,…), kann das das Neugeborene schnell überfordern. Gebt dem Kind ein bisschen Zeit, sich an die Umgebung zu gewöhnem und erstmal nur Mama und Papa kennen zu lernen.

Mir geht es wohl wie Millionen anderen Frauen. Wir alle lieben unser Baby und sind stolz darauf. Wir möchten es der Familie zeigen, Freunden vorstellen und unser Glück in die Welt hinaustragen. Und gleichzeitig möchten wir diesen ersten besonderen Zauber still genießen. Uns Zeit lassen anzukommen. Anzukommen als Zweifacheltern. Als Mama und Papa von einem „großen“Jungen und einen Neugeborenen. Als Familie. Wir haben deshalb für uns beschlossen, die Dinge der Reihe nach zu tun und erstmal nur für uns zu sein. Wir sind unserer Familie und unseren Freunden sehr dankbar, dass sie unseren Wunsch respektieren. Und wir hoffen, dass sich niemand gekränkt fühlt.

Wir lieben unsere Eltern, sie sind wundervolle Großeltern für Samuel und bestimmt auch für Mio – wir sind ihnen dankbar, dass sie uns immer unterstützen. Ebenso unseren Geschwistern und Onkels und Tanten. Und unseren engsten Freunden. Aber wir dürfen hier ein mal egoistisch sein und an uns denken. An unser kleines Glück, das noch so zerbrechlich ist. Wir dürfen uns einigeln, wir dürfen diese Zeit für uns beanspruchen und wir dürfen für uns entscheiden, wann wir bereit für Besuch sind. Dazu gehört für uns bei diesem zweiten Mal auch, dass wir unseren Erstgeborenen beobachten, ihn einschätzen lernen, wann er bereit für noch mehr Trubel ist. Denn das ist dieser Neuanfang für ihn als großer Bruder: turbulent, aufregend, anstrengend und schön.

Wenn wir alle bereit sind, den Zauber mit anderen zu teilen, öffnen wir unsere Türen gerne und laden Familie und Freunde ein. Bis dahin versenden wir Videos und Fotos per Smartphone.

Alles Liebe,

eure Jasmin