Ich bin unheimlich dankbar, dass ich bei meinen beiden Geburten von erfahrenen Hebammen betreut wurde. Meine erste Geburt fand in der Klinik durch eine dort angestellte Hebamme statt. Bei meinem zweiten Geburtserlebnis stand mir eine freiberufliche Hebamme zur Seite, da ich meinen Sohn zu Hause bekam.Bei einer Hausgeburt ist es sehr viel schwerer, eine Hebamme zu finden. 
 
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Der Hebammenberuf vor dem Aus?

Leider ist es vielen Frauen nicht mehr möglich, eine Hebamme für die Zeit vor, während oder nach der Geburt zu finden, denn die drastische Erhöhung der Haftpflichtprämien, die jede freiberufliche Hebamme bezahlen muss, bedeutet für viele eine existentielle Bedrohung. Das führt dazu, dass immer weniger junge Frauen den Ausbildungsweg der Hebamme gehen und viele Hebammen sich neuen Berufen zuwenden. Bereits jetzt machen sich dadurch große Lücken in der Versorgung bemerkbar. Ich weiß noch, wie ich direkt nach meinem Positiven Schwangerschaftstest meine Hebamme anrief und den absolut letzten Platz bei ihr ergatterte – ist das nicht verrückt? Hätte ich nicht so früh getestet, weil ich ich mir eine Schwangerschaft wünschte, sondern vielleicht erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt von der Schwangerschaft erfahren, wären meine Chancen auf eine Hebammenbetreuung gering ausgefallen. 
 
Geplant ist nun eine Akademisierung der Hebammenausbildung, das heißt, dass Hebammen fortan ein duales Studium absolvieren müssen, um praktizieren zu können. Kindern ins Leben zu helfen, ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, so der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der CDU. 
 
Der Deutsche Hebammenverband e. V. (DHV) begrüßt dies ausdrücklich und freut sich insbesondere, dass zahlreiche seiner Vorschläge  aufgenommen wurden. Es soll eine bestmögliche praktische Ausbildung mit einer angemessenen Finanzierung gewährleistet werden. Hebammen werden während ihres gesamten Studiums eine Vergütung erhalten, die von den Krankenkassen finanziert wird. Die Studiengangleitungen werden von Hebammenwissenschaftlerinnen übernommen. Das Herzstück des Hebammenberufs – die selbständige und eigenverantwortliche Versorgung von Frauen rund um die Geburt – wird mit den neuen Studienzielen bekräftigt.  (Quelle: DHV)

Obwohl der Hebammenverband NRW dies begrüßt, bin ich etwas bestürzt über diese Entwicklung. Ich glaube nicht, dass ein Studium die Attraktivität des Berufes erhöht. Frauen und Neugeborene sind in den Kreißsälen häufig nicht mehr ausreichend versorgt, was mich sehr betroffen macht. Meine eigene Erfahrung zeigt, dass Personalmangel nicht selten ist und Hebammen mit denen ich im Kontakt stehe berichten immer wieder von der Unterfinanzierung des Berufes und satteln um, oder machen Zusatzausbildungen wie zum Beispiel zur Traumatherapeutin, um Geburtstraumata zu behandeln. Nicht selten kommt es vor, dass eine einzelne Hebamme in einer Klinik bis zu fünf Frauen gleichzeitig betreut. 
 
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Die Arbeitsbedingungen für Hebammen haben sich verschlechtert. Hebammen betreuen in Deutschlands Kliniken inzwischen dauerhaft mehr als doppelt so viele Gebärende wie Hebammen in anderen europäischen Ländern. (Quelle: DHV)
 
Das ist erschreckend. Untragbar. Erschütternd. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir zunächst mehr Personal in der Geburtshilfe benötigen, um weitere Versorgungsengpässe in Kreißsälen auf einem Minimum zu halten. Wie sonst soll denn gewährleistet werden, dass eine Frau unter der Geburt auch gut betreut wird und gestärkt aus dieser Erfahrung herausgeht? Ich wünsche mir stattdessen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Hebammen, damit Frauen nicht alleine eine Geburt durchstehen müssen, denn wenn der Beruf Hebamme nicht rentabel ist, wird ihn doch letztlich auch keiner studieren wollen.
 
Selbstverständlich ist es insgesamt begrüßenswert, dass die Professionalität der Hebammenarbeit entsprechend anerkannt wird. Ein Studium per se ist hier ja nichts schlechtes – ich glaube nur, dass zunächst andere Baustellen in diesem Beruf behoben werden müssten. 
 

Wir brauchen Hebammen

 
Selbstverständlich sind Ärzte in der Geburtshilfe extrem kompetent. Aber ich bin der Überzeugung, dass wir weiterhin Hebammen brauchen. Dass wir geschulte Frauen und Männer (ja, es gibt auch männliche Hebammen) brauchen, die uns mit ihrem Jahrhunderte alten Wissen über Geburtshilfe und ihrer Einfühlsamkeit unterstützen. 
 
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Eine gute Hebamme ist…

Für mich zeichnet sich eine gute Hebamme nicht durch ein Studium aus. Für mich ist eine gute Hebamme liebevoll und behutsam. Sie informiert mich vor einer Maßnahme (zum Beispiel Muttermund ertasten), was sie vor hat und warum sie es notwendig findet, sie führt die Maßnahme nur durch, wenn sie meine Zustimmung hat und ist dabei nicht verletzend oder übergriffig. Eine gute Hebamme ist für mich eine empathische Begleitung auf meiner Geburtsreise, nach Möglichkeit bereits während meiner Schwangerschaft. Sie strahlt in den richtigen Momenten Ruhe, Zuversicht und Wärme aus. Eine gute Hebamme hört mir zu und nimmt meine Ängste wahr, unterstützt mich und akzeptiert, wenn ich eine andere Meinung habe. Eine gute Hebamme lässt mich nicht allein, wenn ich sie brauche – nein, sie ist DA. 
Diese Punkte sind für mich nicht durch ein Studium zu erlangen, sondern durch Erfahrung. Durch die Möglichkeit, sich auszuruhen und durch einen guten Personalschlüssel, der es ihr ermöglicht, sich auf nur eine Frau zu konzentrieren. 
 
Es ist so wichtig, dass sich etwas tut. Dass wir jetzt ins Handeln kommen. Krankenkassen und Politik müssen eine adäquate Lösung bereitstellen, damit Frauen und Familien auch in Zukunft noch Hebammenhilfe in Anspruch nehmen können. 
Es ist wichtig, dass eine wohnortnahe Betreuung der Mütter und Familien möglich ist. Es ist wichtig, dass Hebammen eine entsprechende Bezahlung erhalten, die der Verantwortung ihres Berufes angemessen ist. Es ist wichtig, dass wir weiterhin Hebammen haben. Es ist wichtig, dass wir Frauen durch eine wundervolle Begleitung während der Geburt wieder in unsere Kraft kommen, wieder an uns glauben und dadurch letztlich vielleicht sogar Kaiserschnittraten sinken. 
 

Am 5. Mai ist Welthebammentag. Schreib deiner Hebamme doch einfach mal eine Nachricht, dass du dankbar für ihre Unterstützung bist. Oder triff dich mit anderen Vätern, Müttern, Kindern, Familien oder Hebammen. Vielleicht macht ihr es euch in deinem Lieblingscafé, oder im Park gemütlich und sprecht über deine persönlichen Erfahrungen während deiner Schwangerschaft und Geburt. Ich jedenfalls danke meiner Hebamme von ganzem Herzen, sie war und ist immer noch sehr wertvoll für mich.

Alles Liebe, 
Jasmin