7 Tage ist unser kleiner Mio schon alt. 7 Tage, in denen unsere ganze Familie auf den Kopf gestellt wurde. 7 Tage in denen wir einen ganz neuen Menschen lieben lernten. Die Zeit verfliegt beim zweiten Kind gefühlt noch schneller als beim ersten. Die Stilldemenz tut ihr übriges und lässt leider viel zu schnell den Zauber der ersten Wochen verfliegen. Deshalb möchte ich meine Gedanken und Gefühle gerne in einer kleinen Beitragsreihe zum Wochenbett festhalten.

Freitag, 23. Juni 2017, 19:52 Uhr. Der Augenblick, der unsere Welt verändert. Meine kleine Familie auf den Kopf stellt. Unser zweiter Sohn wird geboren.

Es ist verrückt, plötzlich liegt da ein kleines Menschenkind in meinen, in unseren Armen. Zart und rosa. 3420 Gramm schwer. 52 Zentimeter lang. Und namenlos. Da hatten wir 10 Monate Zeit und konnten uns doch nicht einigen. Einerseits macht es mich traurig und andererseits kann mein Glück in diesem Augenblick nicht größer sein. Unser Sohn ist ohne Komplikationen zu Hause und ganz geborgen geboren, meine allerliebsten Menschen waren anwesend und durften dieses Wunder miterleben. Ganz ehrlich, was will man mehr?

Wir kuscheln, erst zu dritt, dann zu viert – Samuel wollte nämlich auch baden, wie die Mama. Irgendwann verabschieden sich alle, Esther, meine Hebamme, Samuels Tante die während der Geburt auf ihn aufpasste. Wir sind jetzt allein zu Hause. Die erste Nacht als vierköpfige Familie liegt vor uns.

Erschöpft falle ich gegen 23 Uhr ins Bett, Samuel schläft an diesem Abend an Niklas gekuschelt ein. Der steht allerdings dann wieder auf, um die Spuren der Geburt zu beseitigen. Ich tue noch lange kein Auge zu. Bin voller Adrenalin von unserer Geburtsreise. Viel zu aufgeregt. Aufgeregt, was die Zukunft wohl bringen mag. Starre unseren kleinen Jungen an, halte ihn im Arm und streichle ihn pausenlos. Kann meinen Blick kaum abwenden. Zudem plagen mich schlimme Nachwehen und ich bereue es, kein Stück vom Mutterkuchen gegessen zu haben. Kurz überlege ich, wie weit er wohl schon gefroren war  (er liegt im Froster) und ob ich vielleicht noch ein Stück herausbekommen würde.

Irgendwann in den frühen Morgenstunden schlafe ich tief und fest ein. Erschöpft und glücklich. Das muss so gegen vier Uhr gewesen sein.

Der erste Tag, Samstag.
Gegen 9 Uhr morgens kommt unsere Hebamme, um nach mir zu sehen. Entgegen meiner ersten Erfahrung als Mama, findet diesmal die Wochenbettbetreuung ausschließlich im Bett statt. Das ist angenehm, denn ich bleibe einfach liegen an Ort und Stelle. Meine Hebamme fragt nach unserer Nacht, ob Mio gut trinkt und wie ich mich fühle. Mein Kreislauf ist stabil, sie tastet meinen  Bauch und ist zufrieden. Es fühlt sich gut an, wie es ist. Den Tag über habe ich schlimme Nachwehen und leide sehr.

Ich fühle mich aber gut umsorgt. Das liegt auch daran, dass Niklas sich so gut um mich kümmert. Er bereitet mir Frühstück und Mittagessen, sowie andere kleine Mahlzeiten ans Bett.
Er selbst ist den ganzen Tag mit Aufräumen beschäftigt. Die Hausgeburt hat deutliche Spuren hinterlassen. Niklas wäscht Maschine für Maschine blutige Handtücher und Bettwäsche. Nimmt mir mit einer Engelsgeduld Samuel ab, erledigt die Einkäufe und gönnt mir ganz viel Ruhe. Lässt das Wasser aus dem Pool ab und reinigt ihn. Er ist den ganzen Tag beschäftigt und findet kaum Zeit unser zweites Wunder zu bestaunen. Das tut mir leid und stimmt mich traurig. Ich bin ihm deshalb umso dankbarer, dass er sich so toll kümmert.

Am selben Abend sehen wir meine Hebamme wieder. Zu Beginn ist die Betreuung engmaschiger – bis sich bei uns alles eingespielt hat. Wie besprechen, dass heute Nacht der Milcheinschuss vielleicht schon kommt und was zu tun wäre.

Im Bett habe ich viel Zeit für Bonding und zum Nachdenken. Ich bin traurig darüber, dass unser Sohn noch immer keinen Namen hat und weine. Wir grübeln. Den ganzen Tag schon. Und kommen auf keinen gemeinsamen Nenner. Als wir dann abends gemeinsam im Bett liegen, gehen wir nochmal alle Favoriten durch, sehen uns das Baby an. Und schließlich finden wir DEN perfekten Namen. Endlich – unser Sohn heißt MIO OSCAR. 24 Stunden musste er dafür alt werden. Aber ich nehme es mittlerweile mit Humor.
Auch an diesem Abend bringt Niklas Samuel ins Bett. Mit einer Engelsgeduld und ganz viel Liebe. Und auch an diesem Abend steht Niklas wieder auf und räumt weiter die Wohnung auf.

Tag 2, Sonntag.
Meine Brüste schwellen langsam an. Die Milchbildung kommt in Gang. Dennoch fühle ich mich soweit gut und stabil. Meine Wege beschränken sich auf den Raum zwischen Badezimmer und Bett, das ist gut. Ich versuche meinem Körper viel Ruhe zu gönnen – auch mit Kleinkind. Eine Herausforderung, die ich gerne annehme und dank meinem fürsorglichen Ehemann auch gut meistere. Er nimmt mir unseren Samuel ab, so gut es geht. Geht mit ihm frische Brötchen holen, denn es ist Sonntag. Spielt mit ihm. Auch an diesem Tag ist Niklas aber mehr mit Aufräumen und Samuel beschäftigt als mit unserem Mio. Es ist noch einiges zu tun und zu allem Übel ist die Waschmaschine plötzlich kaputt. Genau das können wir jetzt so gar nicht gebrauchen. Wisst ihr was das heißt? Wochenbett und zwei kleine Kinder und keine Möglichkeit zu waschen?! Ich bekomme einen kurzen Nervenzusammenbruch. Woher sollen wie nur das Geld für eine neue Waschmaschine nehmen? Aber Niklas wäre nicht Niklas, wenn er nicht auch das gewuppt bekäme. Kurzerhand baut er die Maschine auseinander und repariert sie. Tag gerettet.

Meine Hebamme war heute zwei Mal zu Besuch, um 10 und um 17 Uhr. Beide Besuche sind sehr zufriedenstellend. Sie freut sich mit uns, dass wir einen Namen für unser Baby gefunden haben. Sie kontrolliert die Stillpositionen und zeigt mir nochmal alles genau. Ich fühle mich wirklich richtig gut aufgehoben an ihrer Seite und freue mich, dass wir uns durch Schwangerschaft und Geburt bereits so gut kennen. Das schafft nochmal eine ganz andere Vertrauensbasis.

Samuel ist auch heute noch ganz fasziniert von seinem Bruder. „Arm!“ und „Haben!“ fordert er immer wieder. Es ist schön zu sehen, dass er keine Berührungsängste hat. Nein, stattdessen ist er wirklich sehr vorsichtig und herzlich, fast als wüsste er, wie zerbrechlich sein kleiner Babybruder ist. Abends kuscheln wir vier uns alle ein. Schlafen gemeinsam ein, als Familie. Das tut richtig gut.

Mio hat ein wahnsinnig hohes Saugbedürfnis, so dass wir ihm in dieser Nacht den Schnuller anbieten. Eigentlich wollte ich das nicht, wollten wir das nicht. Aber wir sollten meine Brüste etwas entlasten sagt meine Hebamme, sonst bekomme ich wahnsinnig viel Milch. Da Mio aber ohne zu nuckeln sehr unruhig ist, greifen Niklas und ich schließlich doch zu einem Nucki. Ab da bekomme ich auch etwas mehr Schlaf, die Brust entspannt sich ein kleines Bisschen.

Tag 3, Montag.
Wochenbeginn. Was für viele Stress bedeutet ist heute bei uns das Gegenteil. Es kehrt endlich bei uns allen etwas Ruhe ein. Eine ganz wunderbare Ruhe. Es fühlt sich an, als wäre heute Sonntag. Wir starten ganz gemütlich in den Tag bei einem gemeinsamen Frühstück. Niklas hält mit seiner Arbeit inne und genießt.

Samuel kuschelt viel mit Mio. Er möchte ihn ganz viel streicheln, ihn auf den Arm nehmen und lässt kaum seine Augen von ihm. Dabei sind ein paar sehr schöne Fotos entstanden.

Der Milcheinschuss plagt mich heute in seinem vollen Ausmaß und stört die süße Harmonie des Wochenbetts. Meine Brüste sind schwer und prall. Die Milchdrüsen sind bis ins Äußerste geschwollen. Also kühle, wärme, stille ich die Brust im Wechsel und versuche mir so Linderung zu verschaffen. Der Retterspitz tut richtig gut.

Gegen Mittag kommt unsere Hebamme. Wir besprechen, dass ich die Brust weiter gut kühle. Ich bleibe den Rest des Tages im Bett und kuschel mich an Mio. Niklas kümmert sich um Samuel, erledigt gemeinsam mit ihm Einkäufe. Stolz bringt Samuel mir die Kosmetikartikel für seinen Bruder mit nach Hause.

In dieser Nacht ist meine Brust so prall und schwer, dass Mio nicht richtig trinken kann. Er kann die Brustwarze nicht packen. Zum Glück habe ich unsere elektrische Milchpumpe von Lansinoh. Mit ihr pumpe ich etwas ab und dann geht es. Die Nacht bleibt aber weiterhin sehr anstrengend. Ich weiß gar nicht, wie ich am besten liegen und dabei den kuschelbedürftigen Mio im Arm halten soll. Alles schmerzt.

Tag 4, Dienstag.
Ich warte eigentlich nur darauf, dass Rettung naht. Meine Hebamme! Als sie da ist, ergreifen wir sofort Maßnahmen. Ich stille mit Stillhütchen (bei Bedarf) und kühle ab jetzt mit Quarkwickeln. Vor jeder Stillmahlzeit wärme ich außerdem die Brust an, damit die Milch besser fließt.

Niklas entlastet mich und geht mit Samuel einige Stunden an die frische Luft; Bagger gucken, einkaufen – Papa-Zeit. Ich habe dadurch Ruhe und kann mir eine Mütze Schlaf gönnen.

Die folgende Nacht ist nochmal anstrengend. Ich schlafe barbusig auf dem Rücken mit den Quarkwickeln auf dem schmerzenden Busen und bin froh, dass ich alle paar Stunden etwas Linderung durch die nächste Stillmahlzeit bekomme. Nach jeder Stunde tausche ich die Quarkwickel, die entzündungshemmend und abschwellend wirken, aus.

Tag 5, Mittwoch.
Auch den ganzen nächsten Vormittag verbringe ich mit Kühlen. Schließlich wird es besser. Als meine Hebamme kommt, ist die Brust schon viel entspannter. Ich kann Mio nun ohne Probleme stillen.

Mio trinkt nach wie vor gut. Stilltee und Malzbier habe ich noch nicht angerührt, denn es ist auch so ausreichend Milch vorhanden und ich möchte nicht wie bei Samuel damals riskieren wieder viel zu viel Milch zu haben. Damals musste ich Salbei und Pfefferminz zu mir nehmen, um die Milchbildung zu reduzieren. Nein, diesmal klappt es besser und ich bin froh, keine Probleme zu haben.

Tag 6, Donnerstag.
Seit heute Nachmittag deutet nichts mehr darauf hin, dass ich nein Baby zu hause bekommen habe. Der Pool wurde abgeholt und nun sieht alles aus wie vorher. Nur unser Baby ist jetzt noch hier und die Bescheinigung der Hebamme über die Hausgeburt. Wir genießen den Tag ganz entspannt zu viert. Niklas macht einen langen Spaziergang mit Samuel und ich bleibe im Bett. Es tut mir so gut, dass ich mich um kaum etwas kümmern muss. Einzig wegen Samuel mache ich mir ein wenig Sorgen. Ich würde gerne mehr mit ihm kuscheln, ihm zeigen, dass ich ihn immer noch genauso lieb habe wie bevor das Baby hier war. Aber Samuel möchte nicht, er hat nur Augen für Mio.

Tag 7, Freitag.
Der Tag beginnt früh für mich. Um 6:30 weckt mich Samuel und möchte „Botah“ (Brot). Ich reibe mir müde die Augen, weiß, dass Niklas spät ins Bett ist. Ich lege ihm den kleinen Mio auf die Brust und gönne ihm noch eine Mütze Schlaf inklusive Kuscheleinheit. Mit Samuel stehe an diesem Morgen ich auf. Zum ersten Mal seit einer Woche bin ich diejenige, die unserem „Großen“ das Frühstück bereitet. Bin ich diejenige, die ihn morgens anzieht und seine Windel wechselt. Bin ich diejenige, die auf dem Kinderzimmerfußboden mit ihm sitzt und Puzzle macht. Da wird mir erst bewusst, was dieser Knirps schon wieder alles neues kann. Seinen ersten drei-Wort-Satz ruft er mir entgegen („Passt da rein!“). Ich werde ein wenig sentimental. Wann ist das passiert? Warum bekomme ich diese Entwicklung erst jetzt mit? Ich werde ein wenig wehmütig.

Später am Tag machen wir unseren ersten kleinen Ausflug. Einen schönen kleinen Spaziergang. Danach bin ich ehrlich gesagt fertig mit der Welt. Meine Augen sind rot und ich schlafe den Rest des Tages so viel ich kann, lade meinen Akku auf.

Niklas spielt mit Samuel. Sie fahren Puky und mit dem neuen Bagger, spielen Fußball. Es tut gut zu sehen, dass Samuel mit Papa so glücklich ist. Mir gibt das etwas Halt in meinem Gefühlschaos ob ich meinem „Großen“ gerecht werde, denn ich weiß, Samuel wird gut umsorgt und hat einen Ausgleich. Als die beiden nach drinnen kommen, bekomme ich eine herzliche Umarmung von Samuel. Ich muss weinen. Die letzten Tage hat er sich eher von mir distanziert, wollte kaum kuscheln. Und jetzt das. Ich bin überglücklich.

Samuel ist am Abend erneut so K.O. von den ganzen Eindrücken, dass er bereits um 18 Uhr einschläft. Seit Tagen zum ersten Mal früher. Und trotzdem liegt er vorher fast eine Stunde neben mir und wälzt sich durchs Bett. Eigentlich wollte ich ihn zu einem späten Mittagschlaf hinlegen. Die Umstellung ist immer noch viel für ihn. Aber als er um 18 Uhr schlafend neben mir liegt, bete ich, dass er bis zum nächsten Morgen schläft und sich gut erholt.

Um 19 Uhr kommt meine Hebamme. Wir schauen Mios Nabel an – er ist kurz davor abzufallen. Sie ist sehr zufrieden. Mir zeigt sie eine Bauchmassage mit der ich den Rückbildungsprozess unterstützen kann.

Wir sprechen über meine Gefühle und ich lasse den Tränen freien Lauf. Ja, auch das ist Wochenbett. Tränenreich und aufwühlend. Wenn Ich es schaffe, die richtigen Worte dafür zu finden, teile ich meine Gedanken mit euch. Bis dahin gebt mir aber noch ein bisschen Zeit, ja? Einen ersten Beitrag habe ich allerdings dazu verfasst. Den könnt ihr hier nachlesen.

Und dann ist es 19:52 Uhr. Wochengeburtstag unseres Mio Oscar. Verrückt, wie schnell die erste Woche vorbei geflogen ist. Daran muss ich mich wirklich erst gewöhnen. Mit zwei Kindern ist die Zeit, jeder Augenblick plötzlich doppelt so wertvoll. Vergesst das nie, ja?

Alles Liebe,
eure Jasmin