Zu Hause angekommen sage ich sofort meiner Hebamme Bescheid. Wir beschliessen, den Termin von Sonntag auf bereits den nächsten Tag abends zu verlegen und sanft die Geburt zu begünstigen. Es gibt nämlich so einige Hausmittel, die einen Geburtsbeginn hervorrufen können. (Teil 1 gibt es hier)

Wir verabreden uns also für Freitag Abend gegen 19 Uhr. Der Plan ist es, mir dann einen Nelkentampon zu legen und einfach mal abzuwarten,  ob mein Körper darauf reagieren wird. Aber letztlich soll alles dann doch ganz anders kommen…

Ich schlafe an dem Abend gut ein, streichle den dicken Bauch noch beim zu Bett gehen und freue mich, dass die letzten Tage der Schwangerschaft nun bald gezählt sind. Komisch, ich bin gar nicht genervt, wie damals bei Samuel, sondern eher voll vorfreudiger Erwartung auf das was kommen mag. Am Freitag Morgen weckt mich das Baby in meinem Bauch mit Gestrampel. Es dämmert und ist noch recht früh. Rechts von mir liegen die beiden Jungs, Niklas und Samuel, und schlafen tief und fest. Ich muss lächeln und beobachte, wie sich der Brustkorb der beiden langsam hebt und senkt. Verrückt, denke ich, bald schon liegt hier noch ein kleiner Mensch. Wer weiß, vielleicht sehe ich die beiden heute das letzte Mal so aneinander gekuschelt ohne dass es noch ein Baby im Raum gibt. Vielleicht habe ich zu diesem Zeitpunkt bereits eine kleine Vorahnung, ein Bauchgefühl, was die baldige Geburt betrifft, ich weiß es nicht.

Beim Frühstück planen wir munter den Tag. Niklas will sich um Samuel kümmern und ich soll mich ein wenig ausruhen. Lesen. Entspannen. Einfach den Tag genießen.
Nach dem Frühstück macht Samuel ein Schläfchen und Niklas und ich geniessen die Zweisamkeit – seltene Momente in letzter Zeit und dafür umso inniger und schöner.

Als Samuel sein Schläfchen beendet hat, geht Niklas mit ihm in den Hof. Die beiden spielen Ball, fahren Bobbycar und Samuel darf im Plantschbecken plantschen – es ist nämlich wieder einer dieser heißen Sommertage, von denen wir eigentlich viel zu wenige hier in Deutschland haben. Ich dusche derweil, räume in der Wohnung auf und lese ein wenig in meinem Buch.

Um 12:15 habe ich große Lust auf Eis. Ich bringe den beiden ein Eis nach draußen – und esse natürlich selbst auch eins. Dafür will ich mich in die Sonne auf unsere Picknickdecke setzen. Mit der dicken Kugel ist es dann aber doch etwas beschwerlich, sich auf den Boden hinunter zu lassen, ohne das Eis auf dem Shirt zu verteilen. Kaum auf dem Boden angekommen, beschleicht mich ein komisches Gefühl. Bin ich jetzt etwa neuerdings auch noch inkontinent? Ich war doch eben erst auf der Toilette. Ich stehe also wieder auf und mein Gesicht spricht scheinbar Bände,  Niklas fragt nämlich „Was ist?“ Ich überlege kurz und sage dann „Also entweder habe ich mir eben in die Hose gemacht, oder meine Fruchtblase ist geplatzt.“ Der Blick von Niklas: göttlich! „Ja, wie, das musst du doch wissen!“ Ich meine nur, dass ich eben eigentlich auf dem Klo war und jetzt nur ein paar Tropen in der Hose gelandet sind und ich deshalb nicht ganz sicher bin. „Dann frag‘ die Hebamme, vielleicht kann die dir was sagen.“

Ich höre aber nicht auf Niklas, schließlich will meine Hebamme ja abends eh vorbei schauen. Ich gehe also zurück in die Wohnung und nochmal auf die Toilette. Erfolgreich. Chacka, dann bin ich wohl wirklich einfach nicht mehr fähig einzuhalten. Schade.
Als in der nächsten halben Stunde aber alle paar Minuten ein paar Tropfen in meiner Hose landen, ich bereits drei Mal auf der Toilette war und sich nichts ändert, greife ich doch zum Telefon.

„Ali, ich glaube ich habe Fruchtwasserabgang.“

Ich schildere meiner Hebamme die Situation, es ist mittlerweile 12:50 Uhr, und sie schlägt vor, ihre anderen Termine zu verschieben und bereits gegen 14 Uhr bei mir vorbei zu kommen. Das erleichtert mich ein wenig, schließlich will ich wissen, was Sache ist. Gleichzeitig habe ich aber auch die Sorge, dass es wirklich Fruchtwasser ist und womöglich keine Wehen einsetzen werden – ein Grund, die geplante Hausgeburt abzubrechen und in die Klinik zu verlegen. Das will ich natürlich nicht. Aber ich bleibe guter Dinge und sage Niklas Bescheid, dass die Hebamme in einer Stunde hier sein wird. Um 12:59 Uhr warne ich Anne vor, die Betreuungsperson für unseren Samuel. Ich rufe sie an und erkläre ihr, dass es heute vielleicht los gehen könnte, dass ich ihr aber nochmal anrufen werde, wie die Lage ist, wenn meine Hebamme hier war.

Ich räume um die Wartezeit zu überbrücken die Küche auf, mit einem Handtuch zwischen den Beinen und irgendwann ist mir klar: ich verliere ziemlich sicher Fruchtwasser. Die Menge ist einfach untypisch für eine volle (Harn)Blase.

Gegen kurz vor 14 Uhr ist unsere Hebamme da. Sie hat einen Teststreifen dabei, der bei einem vaginalen Abstrich ganz deutlich zeigt: es ist Fruchtwasser. Hatte ich also Recht. Dabei hatte ich mir einen Blasensprung immer anders ausgemalt. Schwallartig und viiiiel mehr Fruchtwasser auf einmal. Wie im Hollywoodfilm eben, beim Einkaufen oder mitten auf der Straße.
Wir besprechen mit meiner Hebamme, dass ich eine Betreuung für Samuel organisiere damit ich mich von nun an ganz auf mich konzentrieren kann. Und wir wollen aufgrund des heißen Wetters nicht auf das Einsetzen der Wehen warten, sondern ein wenig nachhelfen, um die Infektionsgefahr möglichst gering zu halten.  Um 13:58 Uhr setze ich den Anruf an Anne ab: Sie soll bitte kommen. Dann mache Ali mir einen Einlauf.

Währenddessen spielt Samuel neben mir, guckt ganz interessiert zu und will kuscheln. Er merkt scheinbar, dass heute irgendetwas anders ist. So anhänglich habe ich ihn in den letzten Tagen nicht erlebt. Ich lasse seine Nähe zu und bitte Ali ein Foto von diesem schönen Moment zu schießen.

Gegen 15 Uhr fährt Ali zu ihren anderen Terminen und wir verabreden uns für 17 Uhr. Bei mir sind nun bereits leichte Kontraktionen zu spüren, nicht schmerzhaft, aber spürbar da.

Um 14:53 Uhr rufe ich Esther an, unsere Geburtsfotografin, die mittlerweile auch fast schon Freundin ist. Sie ist allerdings noch in der Uni und sagt, dass sie ungefähr 1.5 Stunden braucht, bis sie bei mir sein kann. Ich sage ihr, dass das kein Problem ist, es ist ja noch alles entspannt.

Ich lege mir anschließend einen Tampon mit Nelkenöl vor den Muttermund, das hat mir meine Hebamme geraten. Er soll nochmal zusätzlich die Gebärmutterarbeit fördern. Niklas kommt kurz darauf mit Samuel rein, der sehr müde ist. Es ist Zeit für seinen Mittagschlaf. Die beiden legen sich gemeinsam ins Schlafzimmer und Niklas will sobald Samuel schläft, anfangen den Pool aufzubauen. Als nach einer viertel Stunde alles ruhig ist, vermute ich, dass Niklas ebenfalls eingeschlafen ist. Mit Samuels Geburt im Hinterkopf, die 24 Stunden dauerte, wage ich es nicht, ihn zu wecken. Nein, Niklas soll lieber Kraft tanken und ich lasse beide Jungs schlafen. Ich bin mir sicher, das hier kann noch laaaaaange dauern.

Während alles in der Wohnung ruhig ist, räume ich auf, tätige letzte Handgriffe damit alles ordentlich ist. Es ist doch verrückt: Monate lang hatten wir Zeit alles fertig zu bekommen und nun räume ich doch tatsächlich unter Wehen die Wohnung auf und Babyzubehör in die Wickelkommode. Ich muss innerlich schon ein bisschen lachen. Ich fliege also durch die Wohnung, leise und doch sehr zielstrebig. Dabei halte ich während den Kontraktionen inne und konzentriere mich. Nicht weil es schmerzt, aber weil ich von Beginn an entspannt bleiben und gut atmen möchte, so wie ich es beim Hypnobirthing Kurs gelernt habe.

Mittlerweile ist es 15:30 Uhr und Anne ist da. Obwohl erst eine gute halbe Stunde seit dem Einlauf vergangen ist, werden die Kontraktionen langsam etwas intensiver. Ich atme tief und gleichmäßig, bin bei jeder Welle ganz bei mir. Höre sogar auf mit Anne zu sprechen, versichere ihr aber in der Wehenpause, dass alles sehr erträglich ist und ich noch keine Schmerzen habe. Ich möchte einfach konzentriert und fokussiert bleiben – solange kein Samuel um mich herumspricht.

Ich kann es noch gar nicht so richtig glauben, dass es nun wirklich los geht, dass ich mich mitten in der Eröffnungsphase befinde. Kann nicht wahrhaben, dass ich nun wirklich ganz bald schon Zweifachmama bin und unser Baby irgendwann in den kommenden 24 Stunden ausziehen wird. Ich bin aufgeregt, wehmütig weil die Schwangerschaft nun wirklich bald vorbei ist und genieße die letzten Stunden mit Baby im Bauch ganz intensiv. Ich spüre in mich hinein und bin in Gedanken bei meinem Baby, frage mich wie es wohl aussehen wird. Ja, alle Anzeichen stehen auf Geburt. Wann wird unser Baby nur da sein? Heute? Morgen? Ich rechne mit dem nächsten Tag, ein Samstag. Ein schöner Tag um Geburtstag zu feiern.

Alles Liebe,
eure Jasmin

Hier geht es weiter zu Teil 3.