Die Eltern-Kind-Beziehung ist wohl die stärkste natürliche Bindung, die es auf der Erde gibt. Von Mutter Natur gegeben, passiert dieser Bindungsprozess quasi automatisch. Aber passiert er auch auf Knopfdruck, also direkt nach der Geburt? Oder muss die Bindung erst noch wachsen? 
Ganz wichtig für die Bindung sind Hormone, die der Körper automatisch ausschüttet, bereits während der Schwangerschaft. Oxytocin. Das Bindungs-Hormon, wie man es so schön nennt. Mutterliebe ist also kein Bauchgefühl, sondern ein vom Körper automatisiertes Phänomen. Wie also kann es sein, dass sie ausbleibt?

Mutterliebe, so heißt es, ist bedingungslos und warmherzig. Sie füllt einen aus, vom ersten Moment, an dem dieses kleine Wesen zur Welt kommt und man es in seinen Armen hält. (…) Mutterliebe. Die Liebe, die sich einfach verdoppelt, wenn ein weiteres Kind kommt, so heißt es. (…) Und dann kam der Tag der Geburt. (…) Ja, ich war glücklich, denn unser kleiner Junge war perfekt. Seine Hände griffen nach meinem Finger und sein süßes Köpfchen passte in die Mulde an meiner Schulter. Alles war vollkommen.

Nur, wo war die Liebe?

Diesen Artikel schrieb ich im August 2018. Darin steckt so viel Trauer, so viel Wut und Schmerz. Aber keine Sorge, er geht gut aus. Trotzdem bleibt es einer meiner persönlichsten Artikel und zu kaum einem habe ich mehr Leserzuschriften erhalten. 

Bindung ist die enge Verbindung zwischen Eltern und Babys. Dieses enge Gefühl ist ein Clou der Natur, der dafür sorgt, dass Eltern einen Instinkt entwickeln, um sich um ihre Jungen zu kümmern. Es ist eine Bindung, die garantiert, dass Babys ernährt, geschützt und umsorgt werden. Du kannst noch so tief schlafen und nichts in der Welt könnte dich aus dem Tiefschlaf reißen – aber wirst du Mutter, dann ist dein Körper darauf programmiert, schon beim kleinsten Weinen deines Babys aufzuwachen, selbst wenn du erschöpft und müde bist. Das Aufwachen in diesem Fall ist der elterliche Instinkt dank guter Bindung.

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Manchmal kommt es zu dieser innigen Bindung bereits im Mutterleib, manchmal, sobald das Baby geboren ist. Und manchmal muss die Bindung erst wachsen. In seltenen Fällen passiert dieses Bonding leider gar nicht. Bindung ist nicht nur deshalb wichtig, weil Eltern Eltern für ihre Kinder brauchen. Es ist wichtig, weil Babys sich durch die Bindung zu Mutter und Vater sicher fühlen. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl. Dadurch fühlen sie sich als Menschen wertvoll, fühlen sich geliebt und geborgen.
Laut einer Studie kann allerdings nur jedes vierte Kind eine tiefe Bindung zu den Eltern aufbauen. Diese Studie ergab auch, dass 40% der Babys, die keine Bindung erfahren, zu aggressiven, trotzigen Erwachsenen werden, die zu Hyperaktivität neigen. Dieselbe Studie ergab, dass 25% der Kinder keine Bindung eingegangen sind, weil ihre Eltern nicht auf ihre Bedürfnisse eingegangen sind. Mit anderen Worten: wenn du möglichst gut auf die Bedürfnisse deines Babys reagierst, ist die Wahrscheinlichkeit größer, eine gute Beziehung aufzubauen.
Wichtig ist, dass du ein gutes Gefühl bei dem hast, was du tust. Hör auf deine innere Stimme, deinen Mutter-Instinkt. Ein Neugeborenes ins eigene Zimmer schlafen zu legen, kann (nicht muss!) schlimme Ängste in ihm hervorrufen. Die Welt hat sich stark verändert und wir Eltern wissen, dass dem Baby im liebevoll hergerichteten Babyzimmer keine Gefahr droht. Wir wissen, dass wir rein gehen und es trösten, wenn es weint. Aber dein Baby weiß das nicht. Es kommt mit den selben Ur-Ängsten wie eh und je auf die Welt und muss sich erst zurechtfinden. Babys brauchen Nähe.

Aber was ist, wenn du die Liebe nicht wirklich fühlst? Was ist, wenn es dir schwer fällt, eine gute Bindung aufzubauen? Was ist, wenn sich dein eigenes Baby irgendwie fremd für dich anfühlt? … Wenn dieses überwältigende Gefühl fehlt, von dem alle Eltern immer sprechen, diese bedingungslose Liebe?

Beziehung dauert manchmal

Erst mal: Ruhe bewahren. Das ist VÖLLIG NORMAL. Es darf sein. Es ist ganz wichtig, zu wissen, dass eine gute Beziehung nicht immer sofort da ist. Es gibt alle möglichen Dinge, die das verzögern können. Für Mamas, die einen Kaiserschnitt hatten, kann es schwieriger sein, das Baby als ihr eigenes zu akzeptieren und zu lieben. Eine Freundin von mir bekam ihr Kind in Vollnarkose und hatte immer wieder Probleme, das Kind als ihr eigenes zu akzeptieren, obwohl es ihr sehr ähnlich sah. Vorzeitig geborene Babys müssen möglicherweise Zeit auf der Intensivstation verbringen und dürfen kaum oder nur unter sehr klinischen Umständen berührt werden. Und dann ist da noch ein sehr entscheidender Punkt: du musst dein Baby erst kennen lernen. Da ist ein völlig neuer Mensch, für den du aufopferungsvoll sein musst, für den du dir die Nächte um die Ohren schlägst, Schmerzen beim Stillen erträgst … also völlig okay, dass da nicht sofort Liebe entsteht.

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Dinge, die Eltern eine gute Eltern-Kind-Beziehung erschweren können

Vorangehende Depressionen
Kein gutes elterliches Vorbild
Eine Fehlgeburt
Mangel an Familie oder Freunden für emotionale Unterstützung und postnatale Hilfe
Stress im allgemeinen, insbesondere Geldprobleme, Arbeitslosigkeit
Ehe- / Beziehungsprobleme
Missbrauch

Es kann helfen, möglichst viel Hautkontakt mit dem Neugeborenen zu haben, denn dieser unterstützt den Bindungsprozess. Aber selbst wenn die Geburt unkompliziert ist und es viel Hautkontakt gibt, kann die Bindung verzögert werden. Manche Mütter bekommen den so genannten Baby-Blues, und das kann das Bonding erschweren. Andere Mütter können sich durch die Geburt so erschöpft fühlen, dass genau diese Erschöpfung der Bindung im Wege steht. Für den Vater kann die Bindung länger dauern, da Väter ihre Babys nicht stillen und nicht die gleiche natürliche Nähe mit dem Baby haben. Es kann dann helfen, dem Vater ganz bewusst bestimmte Aufgaben, wie das Baden oder Windel wechseln zu überlassen – und natürlich darf auch Papa ganz viel kuscheln.

Bonding-Tipps

Verbringe so viel Zeit wie möglich mit deinem Baby. 
Wenn sich dein Baby auf einer Neugeborenen-Intensivstation befindet, besuche es so oft, wie möglich. Halte dein Baby, wenn möglich, oder singe ihm vor, damit es weiß, dass du in der Nähe bist.
Trage dein Baby im Tuch oder einer Trage, um ihm Nähe zu schenken.
Singe und spreche mit deinem Baby. Stimme und liebevolle Berührung helfen dir und dem Baby, eine Verbindung herzustellen.
Stille dein Baby, wenn du kannst und du dich damit gut fühlst. Kaum etwas schafft eine so starke Verbindung zwischen Mutter und Kind.
Lass dein Baby bei dir schlafen, am besten im Familienbett.
Massiere dein Baby sanft mit etwas Olivenöl oder Babylotion. Massage kann Babys beruhigen und Koliken lindern. 

Vater-Kind-Beziehung

Vätern fällt es oft sogar noch schwerer, eine tiefe Bindung zum Kind aufzubauen. Sie haben es ja auch nicht 10 Monate im Bauch getragen und oft fällt es ihnen schwer, sich dann mit all dem Neuen zurechtzufinden.  Aber auch die Papas kann man beim Bindungsprozess unterstützen.

Papas ich, die Partnerin mit zu den Vorsorgeterminen zu begleiten. So wird die Schwangerschaft weniger abstrakt und vielleicht erhaschst du ein Bild von deinem Kind auf dem Ultraschall.
Leg die Hand auf den wachsenden Bauch und spüre die Bewegung deines ungeborenen Kindes.
Sprich mit dem Baby, so lernt es bereits im Bauch deine Stimme kennen.
Unterstütze deine Partnerin aktiv bei der Geburt. Halte ihr den Rücken frei, halte die Hand, sorge für eine gute entspannte Atmosphäre. 
Kümmere dich um verantwortungsvolle Aufgaben, wie Windeln wechseln, das Baby trösten, es baden.
Trage dein Baby in einer Trage, beispielsweise bei der Hausarbeit oder auf einem Spaziergang.
Kuschle mit dem Baby Haut an Haut.

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Bonding kann auf so viele verschiedene Arten stattfinden. Mal ist die Beziehung sofort da, dein Herz ist voll und du bist überglücklich. Mal dauert es seine Zeit, eine Woche, zwei, vielleicht acht und dann kommt ein Punkt, an dem du ganz plötzlich ein warmes Gefühl bekommst und es spürst. Liebe. Wie auch immer es passiert früher oder später und wie auch immer wir es  nennen, Verbundenheit ist eines der besten Dinge, die wir als Menschen erfahren können. Es gibt einfach nichts Schöneres als das Gefühl der Verbindung zu einem neuen Wesen. Und nichts ist so wichtig für das Wohlbefinden Ihres Kindes von der Geburt bis zum Erwachsenenalter.

Alles Liebe,
Jasmin