Samuel, einige Stunden alt

Hausgeburten sind in Deutschland immer noch selten, zumindest wenn man der Statistik von QUAG Glauben schenken kann. Die meisten Kinder werden im klinischen Umfeld geboren, was besonders einem Argument geschuldet zu sein scheint: der Sicherheit. Diese (vermeintlich) höhere Sicherheit im Falle von Komplikationen führt dazu, dass wir Frauen uns fast immer dazu entscheiden im Krankenhaus zu gebären. Aber eins zeigt die QUAG-Statistik ebenfalls: die Zahl der außer klinischen Geburten steigt langsam aber sicher wieder an.

Tatsache ist, dass die Geburt der einzige Fall ist, in dem man in gesundem Zustand ein Krankenhaus aufsucht (einmal von Krankenbesuchen oder der Klinik als Arbeitsplatz abgesehen). Scheinbar war ich bislang das beste Beispiel dafür, denn auch ich habe das bei meinem ersten Kind getan. Da war für mich von Anfang an klar, dass ich ins Krankenhaus für die Entbindung gehen würde. Glasklar, ohne wenn und ohne aber – weil ich dachte alles andere sei nicht sicher. Ich habe meine Entscheidung nicht mal hinterfragt, warum auch? Alle machen das so, weil man es eben so macht. Kinder kommen in Krankenhäusern zur Welt und Punkt. Lediglich die Wöchnerinnenstation wollte ich vermeiden, nachdem ich diesen tollen Beitrag von Julia gelesen hatte. Also strebte ich eine ambulante Geburt an und ging, wie es eben normal ist in unserer Gesellschaft, ins Krankenhaus.

Mittlerweile scheint mir dieser Gedanke völlig absurd, ist doch eine Geburt ein höchst intimes Ereignis, das von einer geborgenen Umgebung erst zu einem solchen wird. Geborgenheit und Wärme, das sind für mich Dinge, die ein Kreißsaal nicht ausstrahlt. Da können noch so viele gemütliche Stillkissen und Gymnastikbälle vorhanden sein.

Diesmal ist alles anders.

Ich habe mich verändert, meine Denkweise hat sich verändert. Plötzlich hinterfrage ich die kleinsten Dinge an meiner Schwangerschaft (hier mehr). Muss ich zu dieser oder jeder Untersuchung wirklich hin? Was habe ich wirklich davon? Oder tue ich es nur, weil es jeder so macht? Und auch etwas anderes, ganz grundlegendes ist anders: ich plane eine Hausgeburt. Wie es dazu kam, habe ich bereits hier beschrieben.
Es gibt so viele Gründe, die für mich mittlerweile für eine Hausgeburt sprechen, dass ich ein paar meiner wichtigsten mit euch teilen möchte. Natürlich gilt bei der Planung einer Geburt im häuslichen Rahmen immer, dass das Ok des Gynäkologen gegeben sein muss, aus medizinischer Sicht sollte nichts gegen eine solche Geburt sprechen, da es sonst zu unnötigen Komplikationen kommen könnte.

Sicherheit.

Zunächst einmal gibt es zwei Lager beim Thema Hausgeburt. Während die einen Studien belegen, dass eine Hausgeburt unsicher ist und Frauen im klinischen Umfeld besser medizinisch versorgt sind, gibt es andere, die genau das Gegenteil belegen, nämlich dass eine Hausgeburt mindestens genauso sicher ist wie eine klinische. Woran das liegen mag? Nun, ich glaube, dass man nur die richtigen Frauen befragen muss, um zum einen oder zum anderen Ergebnis zu kommen. Für mich persönlich schließe ich daraus eins: Sicherheit ist gegeben, egal welchen Geburtsort ich für mich wähle. Und weil ich sowohl in der Klinik als auch im häuslichen Umfeld die Sicherheit habe, gut versorgt zu sein (und im Zweifel sehr nah zu gleich zwei Geburtskliniken wohne) habe ich mich für letzteres entschieden. Außerdem gibt mir mein Partner die größt mögliche Sicherheit allein durch seine Anwesenheit!

Trauma.

Mit meiner ersten Geburt verbinde ich rückwirkend fast nur Negatives, von der Tatsache dass Samuel geboren wurde und seither mein Leben lebenswerter macht einmal abgesehen. Dazu trug nicht nur die für mich nicht ausreichende Betreuung durch die angestellten Hebammen, die in jener Nacht alle Hände voll zu tun hatten, bei, sondern auch die gesamte sterile Atmosphäre der Klinik in der ich mich einfach nicht richtig fallen lassen konnte. Natürlich haben die beiden Hebammen pro Schicht alles getan, um uns Frauen liebevoll zu betreuen aber bei vier vollen Kreißsälen bleiben eben schon rein rechnerisch immer zwei Frauen ohne Betreuung. Mich hat das sehr nervös gemacht, nicht immer einen Ansprechpartner zur Seite zu haben und im Kreißsaal selbst konnte ich mich nicht richtig entspannen. Es roch nach Klinik und die Liege war unbequem – es ist eben ein Krankenhaus und kein vier Sterne Hotel! Mit gedämmtem Licht und ruhiger Musik versuchte ich mein Bestes und wehte mich durch die Geburtswellen.
Ich weiß, dass ich mir das bei meiner zweiten Geburt anders wünsche. Intensiver. Vertrauter. Naja und ein Kreißsaal bleibt eben ein klinischer Raum in dem es selbst mit einem Stillkissen, beruhigender Musik und warmer Decke nicht richtig gemütlich werden will. In meinem Wohnzimmer zu Hause kann ich mich dagegen richtig fallen lassen, fühle mich wohlig und geborgen. Ich kann selbst entscheiden, ob ich jemanden bei mir haben möchte, oder die Hebamme im Nebenraum warten soll bis ich sie brauche. Es bleibt mir überlassen, in welchem der Räume ich mein Kind bekomme und auch die Geburtsposition kann ich selbstbestimmt wählen.

Geborgenheit.

Aus der Geburtserfahrung meiner ersten Schwangerschaft resultiert ein tiefer Wunsch nach Geborgenheit. Nach Ruhe und Wärme. Nach Vertrautheit. Ich habe versucht, es mir damals im Kreißsaal so gemütlich wie möglich zu machen. Bequeme Kleidung, warme Kuschelsocken, Entspannungsmusik, Stillkissen (von der Klinik). Aber wenn die Tür auf ging und die Hebamme rein kam, war es jedes Mal vorbei mit der Ruhe. Und als dann auch noch das Licht an ging – da stand es mir bis oben! Ich konnte das grelle Licht nicht ertragen, nicht die harte Liege und auch nicht diesen scheußlichen Geruch. Stattdessen sehnte ich mich in mein Bett, wollte mich verkriechen.
Diesmal wird meine Umgebung vertraut sein und ich kann mir mit Kerzen, Düften,  Musik eine eigene kleine Wohlfühloase schaffen, in der ich vollkommen zur Ruhe kommen kann, meinen Körper entspannen kann. Wenn das Baby geboren ist, kann ich ganz in Ruhe kuscheln. Keine Hebamme, die das Kind zur Untersuchung direkt aus meinen Armen reißt, kein Gewusel um mich herum. Nein, wir haben Zeit – Zeit die ersten Momente ganz intensiv zu genießen.

Bauchgefühl.

Noch nie zuvor habe ich ein Bauchgefühl so stark wahrgenommen – und so intuitiv darauf gehört. Zu Beginn meiner dritten Schwangerschaft dachte ich daran, was die Zukunft wohl bringen wird und – ich weiß das klingt völlig verrückt – hatte eine Vision, so ein Gefühl ganz tief in der Magengegend. Ich konnte mir mich einfach nicht zur Geburt in der Klinik vorstellen. Es ging nicht. Stattdessen prägten sich verschwommene Bilder von einer Wassergeburt in mein Hirn. Bilder einer Hausgeburt. Für mich war das ein sehr komischer aber so faszinierender Moment, dass ich direkt mit meinem Mann darüber sprach. Bislang habe ich nämlich den Gedanken an eine Hausgeburt immer sehr weit, kilometerweit, von mir geschoben. Und mehr noch: ich fand ihn abschreckend. Aber plötzlich breitete sich in meinem Bauch ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit, ein Gefühl von du-musst-das-tun, denn es ist richtig, aus. Und da war er geboren: der Wunsch für meine Hausgeburt.

Zeit.

Ich kann nach meinem eigenen Zeitplan arbeiten. Normalerweise habe ich vor der Arbeit für Tage oder sogar Wochen. Es gibt keinen Druck, in das Krankenhaus an einem bestimmten Punkt zu gehen. Ich arbeite nur nach Bedarf und rufe meine Hebamme an, wenn Kontraktionen intensiv werden.
Ich fühle mich zu Hause entspannt. Es ist meine eigene Umgebung und ich fühle mich dort sicher. Weil ich entspannter bin, fühle ich mich wie ich effizienter arbeite.

Herzenswunsch.

Und dann ist da noch ein tiefer Herzenswunsch, der mich nicht loslässt. Wir haben bereits einen Sohn. Ich wünsche mir, dass er von der Geburt nicht ausgeschlossen wird. Er soll, wenn er das möchte, die Möglichkeit bekommen, dabei zu sein, wenn sein kleines Geschwisterchen geboren wird. Genauso soll er sich aber zurückziehen können, wenn ihm alles zu viel wird.

Ich möchte nicht sagen, dass eine Hausgeburt der einzig richtige Weg ist, nein. Jede Frau hat das Recht völlig selbstständig und bewusst den Ort für die Geburt ihres Kindes zu wählen, an dem sie sich am wohlsten fühlt. Ich denke, jede Schwangere sollte dafür in sich gehen und auf ihre Wünsche vertrauen. Und ganz egal, wie der Weg sein wird: für jeden ist er ganz individuell und richtig.

Alles Liebe,
eure Jasmin