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Ich wünsche mir einen harmonischen Alltag mit meinen Kindern, ich will meine Kinder nicht anschreien. Aber die Realität ist, dass es – leider – nicht immer harmonisch ist, sondern auch mal stressig, nervig und Streit in der Luft liegt. Vor allem in Phasen der Anspannung – weil gerade alle schlecht schlafen, das Baby Zähne bekommt, Papa Stress im Job hat oder das Kind einen Entwicklungsschub hat – ist ein friedvolles Miteinander schwer. Wir streben in unserer Familie an, möglichst allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das funktioniert aber nicht immer und das führt dann zu Frust, sowohl beim Kind, als auch bei uns Eltern. 

Elternwut – Wenn wir unsere Kinder anschreien

Manchmal gibt es bei uns Situationen, die für alle Beteiligten sehr herausfordernd sind. Dann wird einer wütend, wirft mit Spielzeug oder wird laut. Manchmal bin das ich. Das ist dann ein Wut-ICH, eins das ich eigentlich gar nicht wiedererkenne und das ich bei einem Blick in den Spiegel nie vermuten würde. Aber ich kann (leider!) verdammt wütend werden. Wenn die Wut siegt, dass ist die Zeitspanne zwischen Reiz und Reaktion schlicht zu kurz. Der Cortisolspiegel steigt und steigt und ich habe dann keine Alternative parat. Scheinbar ist dann da keine in dem Moment, dieser Millisekunde vor dem Wutsturm. Und das, obwohl ich sonst sehr gute Anti-Wut-Strategien habe.

Wut, das ist der Zustand, wenn in deinem Hirn ein Notstand herrscht, das ist der Zustand, wenn du nur noch rot siehst. Du schreist, weil dein Hirn quasi auf Autopilot schaltet – die Kinder sind anstrengend, die Eltern werden laut. Ein automatischer Mechanismus. Da kann man nichts gegen tun. Oder vielleicht doch?

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Darf ich wütend sein?

Darf ich denn überhaupt so wütend werden? Noch dazu, wenn mein Kind mich so sieht? Ich sage Ja! Verdammt, du darfst wütend sein. Nur so kannst du deinem Kind gegenüber authentisch bleiben. Und nur so wird es lernen, was Wut, Trauer, Glück, Freude ist – wenn es deine Gefühle kennen lernt, die ganze Bandbreite, die ganze Regenbogenpalette von schwarz bis bunt. Jedes Gefühl ist richtig und hat seine Daseinsberechtigung. Es zu unterdrücken würde es letztlich nur schlimmer machen. 
Aber es gibt unzählige Möglichkeiten, ein Gefühl anzunehmen. Sich nicht darin zu verlieren, ist die Kunst. 
Finde, wenn möglich, die richtigen Alternativen für dich, um die Zeitspanne zwischen Reiz und Reaktion zu verlängern und die Wut wird etwas abklingen. Deine erste Reaktion wird dann nicht mehr dein erster Impuls sein, sondern eine durchdachte(re) „zweite“ erste Reaktion. Du kannst deine Gefühle mitteilen. Sie zulassen, für dich (nicht gegen dein Kind). Sie transformieren. Je nach dem, was für dich in der Situation am besten passt. Vielleicht brauchst du verschiedene Strategien für verschiedene Situationen. Das ist ein Prozess, den du vielleicht erst lernen musst. Bei dem du HINsehen musst, damit du dich besser kennen lernst. Gefühle sagen so viel über unser Innen aus, über uns als Mensch. Wie geht’s dir? Wo sind deine Baustellen. Sieh hin, erarbeite dir Wut-Alternativen.

Die Lösung, um aus dem Mechanismus letztlich auszubrechen ist schlussendlich Reflexion. Mache dir bewusst, wenn es sein muss immer und immer wieder, in welchen Situationen du laut zu deinem Kind wirst und warum. Was hat dich an deine Belastungsgrenze gebracht? Kannst du dieser Situation beim nächsten Mal vorbeugen?
Manchmal hilft ein Umdenken im Alltag bereits, um einen Wutausbruch zu vermeiden. Vielleicht hilft es dir, dir vorher klar zu machen, dass du gerade gestresst bist, dann kurz tief durchzuatmen und dann erst weiter zu machen.

Und was, wenn es nicht klappt?

Bei mir hat es heute nicht funktioniert. Ich habe mich in meinem Gefühl verloren. Habe geschrien vor Wut. Wut, die sich gegen mein Kind richtete. Und ich fühlte mich wie die Rabenmutter des Jahrtausends. Ich habe mich selbstverständlich aufrichtig entschuldigt, habe getröstet und geredet. Aber es fühlte sich beschissen an. Ich fühlte mich beschissen. Also ging ich, um durchzuatmen und die Situation zu reflektieren aus dem Raum. Wenn schon Prävention nicht klappt, dann wenigstens herausfinden, was schief lief. Die Kinder spielten ausnahmsweise tatsächlich mal zusammen und ich zerpflückte das was geschehen war in seine Einzelteile.
WIE konnte es soweit kommen?
WARUM machte mich die Situation wütend?
WAS kann ich anders machen beim nächsten mal?
WARUM bin ich nicht so perfekt wie andere Mütter?
Die letzte Frage beschäftigte mich wirklich lange, so lange, bis die beiden Jungs zu mir kamen und nach der Ursache meiner Tränen fragten.
„Ich bin traurig, weil ich so wütend war, dass ich geschrien habe. Ich fühle mich wie eine ganz schlechte Mama.“
Da sah Samuel mich an und sagte ganz ernst: „Ja, ich war traurig, dass du mich angeschrien hast. Aber du bist keine schlechte Mama. Du bist eine tolle Mama!“
Ich glaube, manchmal sind unsere Kinder ganz schön weise und wissen, dass es keine universell perfekte Mama gibt. Aber wir sind die beste Mama für sie. In ihrer kleinen perfekten Welt.

Was du gegen deine Wut tun kannst.

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Wenn es also doch passiert und du so wütend bist, dass du dein Kind anschreist, dann gräme dich nicht für den Rest des Tages oder gar der ganzen Woche. Lass deine Perfektionsansprüche los. Keine Mama da draußen ist perfekt, wir haben alle unsere Baustellen. Lenke statttdessen deine negativen Gedanken auf positive und bestärke dein Kind in dem Glauben, dass du es liebst. Fange mit einer ernst gemeinten, aufrichtigen Entschuldigung an. Zeige deinem Kind, wie wertvoll es für dich ist, vielleicht durch gemeinsame Zeit. Lies ein Buch mit ihm, singt, tanzt, macht eine gemeinsame Unternehmung.
Reflektiere deine Reaktion und nimm deine Gefühle an. Sieh deinen Fehltritt als Möglichkeit, in Zukunft über dich hinauszuwachsen, als Prozess der persönlichen Weiterentwicklung. Setze dir eine bewusstere, überlegtere Kommunikation mit deinem Kind als Ziel.

Und denk immer daran: Yelling silences your message. Speak quietly so your kid can hear your words instead of just your voice. (Schreien lässt deine Nachricht verstummen.Sprich leise, damit dein Kind hören kann, was du sagst und nicht nur deine Stimme.)

Und nun Hand aufs Herz: Hast du dein Kind schon mal angeschrien? Wie hat sich das für dich angefühlt? Und was hast du getan, damit es nicht wieder passiert?

Alles Liebe,

Jasmin