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Dieser Urlaub – nein, diese Reise muss ich eigentlich sagen – erfüllt mich bis in die letzte Faser meines Körpers. Denn diese Reise ist sehr viel mehr als nur ein Urlaub. Urlaub entspannt. Reisen prägt und verändert Menschen. Seit ungefähr 5 Wochen sind wir nun unterwegs und obwohl wir die meiste Zeit in der Nähe von Strand und Meer verbracht haben, haben wir kein einziges Mal ein Sonnenbad genossen. Nein, wir wollen etwas mit nach Hause nehmen, was mehr als nur ein bisschen Urlaubsbräune ist. Wir wollen Erfahrungen sammeln und uns weiterentwickeln. Unsere Lebensweise überdenken.

Ganz oft sitzen wir also am Strand im Schatten eines Restaurants und beobachten die Einheimischen. Wir sehen, wie sie die Longtailboote be- und entladen. Wie sie Kilo für Kilo frische Mangos und andere Früchte liefern. Schauen beim Fischen zu und wie Gerichte zubereitet werden. Wir reden mit ihnen, mittlerweile sogar einige Sätze in Thai, lernen das Land kennen. Wir beobachten einfach nur und saugen dabei jede Sekunde auf. Suchen nach einem Ort, an dem wir all die Gefühle und Emotionen abspeichern, konservieren können. Samuel krabbelt dabei zwischen unseren Füßen herum und quietscht freudig. Eins ist sicher, auch er ist hier glücklich, blüht hier auf und genießt die Freiheit ohne Windel zu krabbeln. Unser Tag besteht aktuell aus keinen großen Aktivitäten. Wir sind seit einer Woche auf Koh Tao – einer sehr kleinen Insel – aber wir haben sie noch nicht mal zur Hälfte erkundet. Ich finde, das sagt eigentlich alles. Wir sind nicht gezwungen alles schnell zu bereisen – das wollen wir auch nicht. Nein, wir leben einfach in den Tag und genießen jedes kleine Bisschen Thai-Leben. Haben unsere Bedürfnisse längste den Einheimischen nahezu angepasst. Niklas trägt seit drei Wochen keine Schuhe mehr, wir frühstücken vermehrt zu Hause und kochen oft selbst. Mit unserer wenigen Kleidung kommen wir gut aus und die Stromausfälle hier tangieren uns nicht mehr. Ja, ein bisschen fühlt es sich an wie zu Hause zu sein. Ein stink normales Leben eben – nur in Thailand. Auf Koh Tao. Mit Meerblick. Ein bisschen anders eben. Wir haben gelernt, Dinge ganz anders wertzuschätzen und ich bin mir sicher, zurück in Deutschland werden wir uns von unnötigem Kram befreien. Sehr viel bewusster leben.

Und dann saß ich vor zwei Tagen am Strand, habe Stunden lang (kein Scheiß!) einfach nur aufs Meer gestarrt und meine Gedanken schweifen lassen, während Samuel schlief oder mit Niklas im Meer badete. Am Ende war ich ganz schön verbittert. Schon so lange träume ich von einem anderen Leben. Als digitale Nomadin. Man könnte es auch einfach location independence (Ortsunabhängigkeit) nennen (dieser Ausdruck gefällt mir wesentlich besser!). Mir wurde klar, dass ich zwar glücklich über mein Studium bin und noch viel glücklicher über meine kleine Familie, meinen liebenden Mann und mein gesundes Kind, aber dass ich mir mehr wünsche. Ich möchte die strengen Strukturen in Deutschland verlassen. Ich möchte raus in die Welt. Ich möchte Ozeane befahren, Länder bereisen und Kulturen kennen lernen. Man hat nur ein Leben und daraus sollte man das machen, was einen glücklich macht. Mich macht genau das hier glücklich. Dieses anders. Das bewusstere Leben. Ja, auch in good old Germany kann ich vieles ändern. Aber ich wäre immer (innerlich) rastlos, nicht erfüllt. Als Kind bin ich nie gereist und wenn ich ehrlich bin, ist das hier neben zwei all inclusive Urlauben meine erste richtige Reise. Die erste richtige, in der ich Land und Kultur wirklich wahrnehme und entdecke. Und das erfüllt mich. Nach dem Studium könnte ich theoretisch überall arbeiten und genau das haben.
Ich saß also da, auf meinem Handtuch, starrte aufs Meer und wurde wehmütig. Oder soll ich sagen wütend? Ich habe mich richtig geärgert, warum ich nicht viel früher eine solche Reise unternommen habe. Der Kloß in meinem Hals wurde dicker und ich war genervt. Klar, ich will mein Studium beenden, denn das macht mir Spaß. Aber am liebsten will ich gleichzeitig raus in die Welt. Dinge sehen und erleben. Frei sein von überflüssigem materiellen Kram und einfach nur leben. Luft haben zum Atmen.

Ich blickte aufs Wasser, die sanften Wellen. Auf meinen Sohn, der freudig plantschend auf Niklas‘ Arm saß. Die Füße im stetigen Kommen und Gehen der Wellen. Glücklich. Glücklich, weil er den Moment lebte und nicht an morgen dachte. Glücklich, weil er das hatte, was er am Meisten brauchte. Uns. Mama und Papa. Und da wurde mir klar, ich habe wohl zwischen all den Träumen vergessen, wo ich gerade bin. Und dass ich verdammt nochmal glücklich bin. Jetzt gerade.
Also habe ich beschlossen, meine Gedanken eine Weile bei Seite zu schieben und es meinem Sohn gleich zu tun. Und so genieße ich nun den Moment, die Zeit mit meiner Familie. Und vielleicht… vielleicht kann ich irgendwann meine Träume verwirklichen.

Alles Liebe,
Jasmin

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