Frauen, die ihren Kindern die Flasche geben, werden enorm unter Druck gesetzt. Stillen ist das einzig Wahre, das wird Müttern immer und immer wieder unmissverständlich klar gemacht, schließlich ist Muttermilch so gesund für das Baby und Stillen die Verkörperung der Mutterliebe. So scheint es jedenfalls, wenn man ständig liest Stillen ist Liebe. Ja, der weibliche Körper leistet so viel Gutes, Muttermilch ist ein wahrer Alleskönner. Sie heilt Wunden, macht das Kind satt, passt sich automatisch an die Bedürfnisse des Säuglings an, Flaschennahrung steht da hinten an. Es wird erwartet, dass Mütter sich aufopfern, auch wenn sie stillen unangenehm finden. Und dann sind da noch denjenigen Frauen, die nicht stillen können, das sind zwischen 1-5 % der weiblichen Bevölkerung und zurückzuführen auf Brust-OPs, Erkrankungen und Verletzungen, in seltenen Fällen auch eine Fehlbildung der Brust.

Jede Mutter muss für sich den richtigen Weg finden

Viele Frauen, die zum ersten Mal ein Kind bekommen, lassen sich durch den Druck von außen schnell verunsichern. Da sind so viele Einflüsse und Meinungen, die  auf sie einströmen, dass sie irgendwann nicht mehr wissen, was richtig und was falsch ist. Da wird Druck aufgebaut mit schnell dahin Gesagtem, da werden Ängste gemacht. Und wenn dann das Kind geboren ist, hört all das nicht auf. So oft werden Mütter schief angesehen, weil sie (zu) jung sind – wer legt eigentlich fest, ab wann man Kinder bekommen darf, hm? – oder sie werden schief angesehen, weil das Kind die Flasche bekommt, anstatt gestillt zu werden. Und dabei vergessen viele oft: wir sehen immer nur das JETZT, das WARUM offenbart sich uns nicht. Ganz sicher haben all diese Mamas da draußen meistens einen sehr guten Grund für ihr Handeln, sie wollen für ihre Sprösslinge das Beste. Jede Mutter sollte ihren eigenen Weg gehen und damit glücklich sein. Es bringt nichts, sich zum Stillen zu zwingen, wenn man nicht stillen möchte, nur weil die Gesellschaft es so verlangt. Ein Baby ist immer nur glücklich, wenn seine Bezugsperson es auch ist. Lastet zu großer Druck auf den Schultern einer frischgebackenen Mama, kann das auch mal schnell zu Wochenbettdepressionen und Ängsten führen. Deshalb sollten wir nicht vorschnell urteilen, schon gar nicht VERurteilen, denn am Ende des Tages ziehen wir alle ganz wunderbare Menschen groß, da bin ich mir sicher. Ich möchte heute allen Flaschenmamas Mut machen, auch wenn ihr immer und immer wieder schief angeschaut werdet: ihr seid nicht allein. Heute teile ich die Geschichte von Ida mit euch. Sie ist Flaschenmami, wurde sicherlich ganz oft schief deshalb angeschaut und dabei hat sie so viel dafür getan, um ihr Baby stillen zu können. Vielleicht ist ihre Geschichte über den Weg vom Stillen zur Flasche ein kleiner Trost für manche Mamis, die sehr gerne gestillt hätten, es aber leider nicht konnten.

Eine gute Stillberatung kann Wunder wirken

Ich möchte vorab aber noch etwas loswerden. Auch ich habe bevor ich Mama wurde oft viel zu schnell verurteilt. Es ist nicht fair. Flaschenmamas sind genauso tolle Mütter wie stillende Mamas. Und ja, ich gebe zu, ich bin immer pro Stillen, auch als ich noch Nicht-Mama, einfach eine ganz normale Frau war. Ich denke aber, dass in den meisten Fällen eine gesunde Stillbeziehung aufgebaut werden kann, sofern die Mutter das möchte und sich professionelle Hilfe holt wenn sie Probleme dabei hat, sich diese aufzubauen. Leider musste ich in der Vergangenheit feststellen, dass Mamas aber oft andere Gründe vorschieben, um zu rechtfertigen, warum sie nicht stillen. Ich hatte nicht genug Milch. Mein Baby wurde nicht satt. Mein Baby saugte nicht fest genug. Und dann sah ich diese Mamas rauchend am Spielplatz stehen oder am Wochenende regelmäßig mit den Freundinnen ein Glas Sekt trinken, weil sie ja eh abgestillt hatten (ich habe die Situation bewusst überspitzt dargestellt, ich denke, ihr wisst, was ich meine). Mädels, das ist Scheiße! Ihr müsst nicht stillen, wenn ihr das nicht unbedingt wollt. Aber dann sagt das doch auch so. Sagt einfach „Mir war es eigentlich ganz recht, dass meine Kleine nicht mehr so richtig satt wurde und ich hatte keine Lust, die Milchmenge wieder anzukurbeln, denn so kann ich jetzt ab und zu etwas trinken / nachts durchschlafen / wieder rauchen / mal länger shoppen gehen.“ Und dann ist gut. Aber bitte rückt nicht die Mamas in ein schlechtes Licht, die wie Löwinnen gekämpft haben für jeden kleinen Milliliter Muttermilch. Ich bin also nicht nur pro Stillen. Ich bin vor allen Dingen für Ehrlichkeit und Authentizität. Und wenn du dich mit einer Flasche wohler fühlst, ist das legitim.

Idas Geschichte

Letztes Jahr am 07.11. kam unsere Frieda auf die Welt, sie ist unser erstes Kind. Für mich war schon immer klar, dass ich mein Kind stillen möchte. Ich ging vor der Geburt davon aus, dass es wahrscheinlich keine Probleme mit dem Stillen geben wird und stattete uns daher auch nicht mit Flaschen, Fertignahrung und allem was dazu gehört aus.
Als am 07.11. Frieda auf die Welt kam und die Hebamme mich im Kreißsaal fragte, ob ich stillen möchte, antwortete ich stolz mit „Ja“. Ich legte sie immer wieder an, nahm die Tipps der Hebammen und Schwestern im Krankenhaus an und wartete auf den Milcheinschuss. Es vergingen ein paar Tage, aber außer wunden Brustwarzen spürte ich nichts von einem Milcheinschuss.
Am 2. Lebenstag von Frieda, bekam ich bereits ein Fläschchen mit Wasser auf den Tisch gestellt, dass ich ihr „ruhig geben soll, damit die Nieren beginnen richtig zu arbeiten“ und als Laie gab ich ihr natürlich das Wasser zum Trinken – was ich im Nachhinein bereue, aber dazu komme ich später noch einmal kurz…
Vier Tage nach der Geburt schien Frieda noch immer nicht genug aus meiner Brust zu trinken und da das Bilirubin von Frieda immer weiter anstieg, wurde mir erklärt, dass es besser sei, wenn ich zufüttere, damit der Wert wieder sinke – wo blieb denn nun meine Milch? Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie jetzt Fertigmilch bekam. Meine Brust war weich, ich hatte keine Schmerzen. Und ich merkte, dass irgendetwas nicht stimmte.
Ich bekam eine Milchpumpe neben das Bett gestellt, sodass ich meine Milch abpumpen konnte und diese Frieda über eine Flasche gab. Es kam Milch, aber eben nicht genug. Als ob das noch nicht genug war, musste Frieda auf die Kinderstation (glücklicherweise im selben Haus) in ein Wärmebett mit UV-Licht. Ich war fast ununterbrochen im Wechsel mit meinem Mann bei Frieda.

Leider hatte ich das große Los gezogen, einen heftigen Dammriss durch Friedas Sternenguckergeburt „mitzunehmen“, der mich zeitgleich – während ich auf den Milcheinschuss wartete – auf Trapp hielt. Ich konnte nicht, wie erwartet, nach drei Tagen das Krankenhaus verlassen, da die Dammwunde Probleme bereitete. Durch eine Wundheilungsstörung musste ich dann fünf Tage nach der Geburt den OP-Saal befahren, da die Wunde nochmals geöffnet werden musste,  so hatte ich mir unseren Start nun wirklich ganz und gar nicht vorgestellt.

Frisch operiert, ohne Milcheinschuss, aber mit abgepumpter Milch fuhr ich alle zwei Stunden ein paar Etagen höher, um Frieda anzulegen, zu wiegen ob sie Milch getrunken hatte, mit Muttermilch nachzufüttern und dann den kleinen Magen zusätzlich mit Pre-Nahrung „aufzufüllen“. An diesen Tagen habe ich völlig erschöpft und verweint versucht, meine Tochter zu versorgen. Wie gut, dass mein Mann die meiste Zeit an meiner Seite war und mir volle Unterstützung gab.Es gab einige Schwestern mit denen ich in diesen Tagen über das Stillen unterhielt, die mich motiviert haben weiter zu machen und dass es bestimmt funktionieren wird – das tat gut, das hat mich aufgebaut. Zwei Tage blieb Frieda auf einer anderen Station, danach durfte sie nicht mehr zurück zu mir auf die Gynäkologie (Abrechnungsgründe lassen grüßen ?!? ).

Ich entlies mich aber dann auf eigenen Wunsch aus der Klinik, weil ich das Gefühl hatte, dass ich mich zu Hause besser erholen kann – das war eine Woche nach der Geburt. Der „Prozess“ Anlegen – Muttermilch geben per Flasche – Zufüttern – Brust leer pumpen, beschäftige mich auch weiterhin zu Hause imens. Gemeinsam mit meiner Hebamme versuchten wir durch verschiedene Methoden, Anlegetechniken etc. das Stillen weiter in Gang zu bringen. Das kostete Zeit und auch Kraft.
Mein Bauchgefühl sagte mir eigentlich immer nach einer 3/4 Stunde stillen „sie hat wenig bis nichts getrunken“ und kontrolliert haben wir dies dann auch wieder durch Wiegen – Volltreffer, mein Bauchgefühl täuschte mich nicht – mehr als 20-30 ml Milch bekam sie nicht aus der Brust.

Es gibt vielleicht Menschen, die jetzt sagen „Wenn du voll stillst, weißt Du auch nicht wie viel Dein Kind aus der Brust trinkt“ – dem stimme ich auch voll zu, aber da von Beginn an nie genug Milch kam, war die Kontrolle wichtig, damit Frieda nicht noch weiter abnahm.
Ich musste mich schon früh damit abfinden, dass ich Frieda nicht allein mit meiner Milch versorgen konnte und das tat mir leid, ich fand es schade.
Sechs Wochen habe ich sie gestillt, zugefüttert mit Muttermilch, zugefüttert mit Fertigmilch, abgepumpt und dann entschloss ich mich aufzuhören. Der größte Grund, war dass ich für ein Fläschchen mit 120ml Muttermilch 3 Tage abgepumpt habe und sich Friedas Trinkmenge dann so erhöhte, dass mir der Aufwand zu hoch war. Es war einfach zu anstrengend und ich fühlte mich ausgelaugt.

Ich muss sagen, dass ich mich nach dem „Abstillen“ viel besser gefühlt habe. Wir bekamen noch mehr Routine und gleichzeitig viel mehr Ruhe in unseren Alltag.
Ich bin froh, dass Frieda wenigstens etwas Muttermilch bekommen konnte. Oft habe ich die Gründe, warum das Stillen nicht geklappt hat, hinterfragt. War ich anfangs zu sehr mit mir selbst beschäftigt? Stimmt etwas mit meinem Körper nicht? War ich zu sehr auf das Stillen fixiert? Aber ich habe aufgehört mir diese Fragen zu stellen, denn es gibt keine Antwort darauf. Auch auf einen Spruch meines Gynäkologen habe ich gelassen reagiert: „Frau S. Sie wissen ja, dass Muttermilch die beste Nahrung für ihr Kind ist. Es gib Studien die beweisen, dass Kinder die gestillt wurden, einen höheren IQ haben…“

Dennoch gibt es Etwas, dass ich nach der nächsten Entbindung nicht mehr machen würde: Ich würde meinem Kind erstmal kein Wasserfläschchen anbieten, damit es nicht gleich lernt aus der Flasche zu trinken. In meinem Kopf hat ein Umdenken stattgefunden. Ich habe wieder einmal gelernt, dass man manche Dinge nicht ändern kann, auch wenn man sie sich noch so wünscht und dass man deshalb kein schlechter Mensch ist. Jede Mutter möchte nur das Beste für sein Kind, auch wenn sie sich dafür entscheidet nicht zu stillen – es ist absolut OK!

Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft, dass solche Entscheidungen mehr toleriert werden und man sich solche Sprüche wie „Waaaaas du stillst nicht????“ spart.

Flaschenkinder sind genauso glücklich wie Stillkinder

Liebe Ida, danke dass du deine Geschichte mit uns teilst. Ich hoffe, sie zeigt anderen Mamas, dass sie nicht allein sind, dass sie nicht allein gekämpft haben. Da draußen sind so viele Mamas, bei denen das Stillen nicht auf Anhieb klappt und die zur Flasche greifen müssen. Ihr müsst euch deshalb nicht schlechter fühlen. Denkt immer daran: eurem Baby geht es gut, wenn es euch gut geht. Flaschenbabies sind genauso süß, genauso toll und genauso liebenswert wie ein Stillbaby.

Wo ihr Hilfe findet

Sollte euch die Situation aber immer wieder Tränen in die Augen treiben, solltet ihr euch hilflos und absolut unzufrieden fühlen, dann rate ich euch zu einer professionellen Stillberatung. Hebammen sind oftmals nicht so gut ausgebildet wie eine zertifizierte Stillberaterin. Diese kann mit euch verschiedene Lösungsansätze probieren und ihr werdet in vielen Fällen erfolgreich zu einer schönen Stillbeziehung kommen.
Hilfe findet ihr auch bei La Leche Liga oder bei der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen (AFS).

Stillen ist Liebe. Fläschchengeben auch!

Alles Liebe,
eure Jasmin