Der Beginn von etwas Neuem. Leben. Schon eine Woche ist unser Mio bei uns und wir lernen uns langsam kennen, jeden Tag ein kleines Stück. Nähern uns an. Lernen unsere Gerüche und Stimmen kennen und alles ist warm, wohlig und sanft. Nicht alles, manchmal ist es auch turbulent. Bunt. Anstrengend. Vor allem die Nächte, die sind nun wieder kürzer. Auch in Woche zwei nach der Geburt verbringe ich meine Zeit fast ausschließlich im Bett, unserem Kennenlernlager. Hier spielt sich unser Alltag momentan ab. Wir lesen Bücher, kuscheln, stillen, schlafen, essen im großen Familienbett – und das ist schön. Lässt uns als Familie unfassbar zusammenrücken.

Tag 8, Samstag

Wochenende. Ich kann immer noch kaum glauben, dass Mio schon eine ganze Woche bei uns ist. Als ich aufstehe, um ihm morgens die erste Windel zu machen, finde ich den abgefallenen Nabel im Body. Ich werde ganz wehmütig. Für mich fühlt sich das ganz komisch an, so als würde sich Mio ein Stück weit von mir abnabeln und jetzt ein Stück mehr nur Mio sein. Nicht mehr Mio und Jasmin. Sein erster Schritt ganz allein. Ist das nicht total verrückt? Mag sein, aber es sind nun mal Gedanken die ich habe. Ich bin wehmütig. Irgendwie geht mir das alles hier zu schnell und ich such (mal wieder) nach dem STOPP-Knopf.

Wir starten dann mit einem gemütlichen Frühstück in den Tag, sitzen alle gemeinsam in der Küche. Es gibt frische Brötchen. So darf Wochenbett sein: gemütlich. Schlafen, essen, stillen, kuscheln.
Später am Tag. Samuel spielt mit Niklas und ich verbringe meine Zeit wieder hauptsächlich im Bett. Es ist so gemütlich mit Mio und ich entdecke immer noch ständig etwas Neues an ihm. Momentan sieht er noch sehr aus wie Samuel, nur dass die Haare jetzt schon viel heller sind und die Augen blau. Es fasziniert mich, wie aus einem Genpool zwei so verschiedene Wesen entstehen können.

Ich freue mich über meinen Körper und dass diesmal die Rückbildung so viel besser verläuft als bei Samuel. 55 Kilogramm wiege ich noch – mein Startgewicht der Schwangerschaft. Ich bin wirklich sehr zufrieden, weil ich weiß, dass mein Körper auch ganz anders kann. Weil ich nicht weiter abnehmen möchte, esse ich gute Portionen über den Tag verteilt. Stillreserven auffüllen.

Am Abend kommt Niklas‘ Mama vorbei. Wir freuen uns, ihr unseren Mio zu zeigen. Aber ich merke auch, dass ich nur einen kurzen Besuch ertragen kann und ziehe mich recht schnell ins Schlafzimmer zurück. Ich bin müde und selbst kurzer Besuch stresst mich auf eine gewisse Art. Ich will lieber schnell wieder mit meinem Baby kuscheln, mich ausruhen. Samuel freut sich aber sehr, seine Oma zu sehen und ist überglücklich. Das freut mich wiederum. Und natürlich sind wir stolz wie Bolle über unseren Mio und würden ihn am liebsten der ganzen Familie sofort zeigen. Da Samuel aber auch müde ist, bleibt Omi nicht lange und wir können Samuel ins Bett bringen. An diesem Abend dauert das auch etwas länger, daran merken wir, dass Samuel der Trubel doch etwas viel ist. Aber es wird langsam.

Sonntag, Tag 9.

Niklas und ich haben Hochzeitstag. Wir frühstücken mit unseren Kindern und haben dann einen Tag für uns. Niklas‘ Papi kommt vorbei, um mit Samuel auf einen Bauernhof zu fahren. Samuels Tanten, beide noch Kinder, fahren ebenfalls mit. Alle dürfen vorher kurz auch den kleinen Mio anschauen, kurz zu uns ins Schlafzimmer spinxen, und sind entzückt. Eine Sache von 10 Minuten. So mag ich Wochenbettbesuch.

Ich nutze den Mittag, um ein richtig langes Schläfchen zu machen. Natürlich an Mio gekuschelt. Am Abend möchten Niklas und ich essen gehen. Wir entscheiden uns für das selbe Restaurant wie letztes Jahr unweit unserer Wohnung. So muss ich nicht so weit laufen. Mio darf natürlich mit, im Tragetuch. Darin verschläft er den kompletten Ausflug und ich habe die ganze Zeit Angst, ihm auf den Kopf zu kleckern. Passiert aber nichts.

Samuel ist total begeistert von seinem Ausflug und am Abend wieder zurück. So müde wie er ist, fällt er auch bald in einen tiefen Schlaf.

Montag, 3.Juli 2017.

Heute steht die U2 an. Ich bin etwas sauer, weil uns die Kinderarztpraxis zugesagt hatte, dass diese wie bei Samuel damals bei uns zu Hause stattfinden kann. Nun müssen wir doch in die Praxis laufen, weil keine Hausbesuchtermine mehr frei waren. Der Weg ist noch etwas weit für mich und anstrengend. Auf dem Rückweg machen wir daher einen Halt an unserer Lieblingseisdiele und gönnen uns eine Kugel leckeres Eis.

Gegen 14 Uhr kommt unsere Hebamme. Heute dürfen wir Mio das erste Mal baden. Wie aufregend. Das erste Bad ist doch etwas ganz besonderes. Ich habe dafür extra etwas Muttermilch eingefroren, die wir nun ins Badewasser geben. Die Milch ist gut für Babys Haut und besser als parfümierter Badezusatz.
Ich habe Mio auf dem Arm und lasse ihn ins Wasser gleiten. Erst strampelt er ganz wild, aber dann erinnert er sich an die Zeit in meinem Bauch und genießt das warme Bad. Samuel sitzt neben der Wanne und guckt interessiert zu, wäscht seinen Bruder. Bei dem schlägt die Stimmung allerdings schnell um und Mio fängt an zu weinen. Zeit das Bad zu beenden. Wir kuscheln ihn unter der Wärmelampe im Kinderzimmer ein und rubbeln ihn trocken. Mio ist so geschafft, das der einschläft. Ich beschließe daher, ihn gar nicht anzuziehen, sondern ihm viel Viel Kontakt zu geben und mich nackig mit ihm ins Bett zu kuscheln. Mio genießt das in vollen Zügen und schläft mehrere Stunden ganz seelenruhig auf meiner Brust.

Samuel durfte übrigens nach Mio ins Muttermilchbad und fand es prima. Während Niklas mit Samuel draußen ist, finde ich ein wenig Zeit um zu schlafen und unseren kleinen Mio zu bestaunen. Heute fallen mir seine kleinen Wimpern auf, die plötzlich viel dunkler sind als noch bei der Geburt. Und seine Augenbrauen… die sind total hell und kaum zu sehen. Samuels Augenbrauen waren viel prägnanter, dunkler. Ich bin mal wieder fasziniert wie aus einem Genpools zwei so verschiedene Kinder entstehen können. Es ist doch immer wieder ein Wunder, oder?

Dienstag, 4. Juli 2017.

Oma kommt und holt Samuel für einen langen Spaziergang ab. Ich hingegen habe heute Sehnsucht nach ganz viel Nähe und kuscheln. Deshalb beschließe ich, dass Mio heute nicht angezogen wird, sondern im Wechsel entweder in eine Decke gekuschelt bleibt oder nackig Haut an Haut mit mir kuscheln darf.
So liegen wir den ganzen Tag einfach da, genießen die wohlig warme Nähe und tun…. nichts!

Samuel kümmert sich immer noch rührend um seinen kleinen Bruder. Er gibt ihm den Schnuller und streichelt ihn ganz lieb. Das ist so toll anzusehen!

Mittwoch, 5. Juli 2017.

Ich liege im Bett und versuche zu schlafen. Ich bin unfassbar müde an diesem Mittwoch. Vielleicht macht sich nun die körperliche Erschöpfung bemerkbar. Die Hormone sortieren sich, die erste Euphorie ist verflogen und die Nächte sind kurz. Samuel wacht in letzter Zeit häufiger auf und Mio möchte natürlich nachts ebenso gestillt werden wie am Tag. Das macht dem Körper zu schaffen. Ja, da liege ich nun im Bett, fast den ganzen Tag, und finde einfach nicht in den Schlaf. Mio ist unruhig und möchte nicht abgelegt werden. Ihn plagen Bauchschmerzen. Und wenn er schläft, ja dann ist mein „großes“ Kind wach und möchte spielen. Schlafen ist heute wohl leider einfach nicht drin. Schade Schokolade.

Ich fasse mir also ein Herz – Mio schläft endlich (auf dem Bauch klappt es ganz gut ohne Mama) *halleluja* – und stehe auf, ziehe mir etwas über und gehe nach draußen in den Hof. Im Schlepptau Samuel. Wir spielen ein bisschen Fußball, so gut das eben geht haha. Noch mache ich mir etwas Sorgen um meinen Beckenboden, wenn ich zu lange stehe. Aber ich genieße diese kurze Mama-Samuel-Zeit sehr. Seit Tagen zum allerersten Mal ist es fast wie „früher“, als wir noch zu dritt waren – und es fühlt sich seltsam schön an, befreiend. Ich könnte weinen vor Glück. Sie sind also noch da, diese kostbaren Momente. Nur eben rar. Ich genieße also in vollen Zügen und als ich nach zwanzig Minuten nach Mio sehen will, möchte mich Samuel fast nicht gehen lassen – so sehr hat auch er seine Exklusivzeit genossen. Ich nehme mir vor, jetzt wieder öfter solche kurzen Auszeiten zuzulassen, solange mein Körper das gut mit macht. Vielleicht mag das anderen Mamas komisch vorkommen, dass ich mein Wochenbett tatsächlich bislang fast ausschließlich im BETT verbracht habe – schließlich habe ich ja noch Samuel, ein großes Kind. Aber wisst ihr, ich denke die Zeit in der ich auf mich allein gestellt bin und den ganzen Tag unterwegs sein werde, kommt noch früh genug. Bis dahin genieße ich die Ruhe vor dem Sturm und überlasse Niklas möglichst viel Verantwortung. Danke an meinen Mann an dieser Stelle, dass er das alles so toll meistert und möglich macht. Danke, Niklas.

Ich schaffe es später sogar, Samuel zu baden und mit ihm gemeinsam Abendbrot zu essen. Dann bin ich aber wirklich erledigt und froh, als ich im Bett liege und meine Augen schließen darf. Dabei liege ich zwischen meine Jungs gekuschelt und mir wird klar, wie gut ich es eigentlich habe.

Donnerstag, 06 Juli 2017.

Heute schaffe ich es, mich nach dem Frühstück nochmal hinzulegen und die Augen zu schließen. Ich schlafe ziemlich schnell ein. Genauso schnell werde ich aber auch leider wieder geweckt. Meine Hebamme ist da und ich hatte den Termin vergessen. Also wird statt schlafen eine Runde Sport gemacht – wir starten nämlich heute mit ein paar leichten Rückbildungsübungen. Meine Bauchmuskeln sind nur noch einen halben Finger breit auseinander – was mich sehr überrascht. Als ich bei Samuel nach acht Wochen mit der Rückbildung startete waren es ganze drei Finger!

Ich bereite das Mittagessen zu – ein Gazpacho. Leider war die Gurke bitter und damit ist das ganze Menü im Eimer. Wir beschließen also, einen kleinen Ausflug zu machen, obwohl es schwer nach Regen aussieht. Im Café um die Ecke gibt es aber leckere Pfannkuchen und den kurzen Weg dürften wir selbst bei einem Gewitter einigermaßen unbeschadet zurück legen.
Tatsächlich kommen wir gerade noch so im Trockenen an – und lassen es uns dafür so richtig schmecken.

Wieder zu Hause kuscheln wir uns auf die Couch ein und tun, was wir schon ewig nicht mehr gemacht haben: wir schauen fern. Es fühlt sich schön an und fast, wie ein kleines bisschen Alltag.

Freitag, 7. Juli 2017.

Ich freue mich auf diesen Tag. Heute kommt meine Freundin Anne vorbei und verbringt den Tag mit uns. Sie ist die Art Mensch, die ich jederzeit um mich haben kann, ohne dass sie mich nervt. Oft liegen wir einfach nur da und genießen unsere Anwesenheit, ganz ohne viele Worte. Als ich noch keine Kinder hatte, haben wir uns auch ab und an getroffen, ein bisschen gequatscht und dann einfach eine Runde geschlafen. Deshalb habe ich mir vor diesem Tag heute auch keine Gedanken gemacht, dass mir der Besuch zu viel werden könnte.

Entgegen meiner Gewohnheit öffne ich Anne also so gegen 10 Uhr morgens fertig angezogen die Tür (meistens stehe ich nämlich im Handtuch da oder sogar noch im Schlafanzug wenn Anne kommt haha). Sie hingegen bleibt der Gewohnheit treu und hat frische Brötchen dabei. Super.

Wir setzen uns ins Wohnzimmer und quatschen über die letzten beiden Wochen. Samuel spielt mit uns und wir essen Brötchen. Genau so. Schön ist das. Es klingelt und meine Freundin Lisa bringt uns frisch gekochten Nudelauflauf vorbei – einfach so, weil sie uns etwas Gutes tun will. Ich bitte sie herein und zeige ihr unseren kleinen Mio. Wir trinken noch gemütlich etwas zusammen und sinnieren alle drei über das Studium. Lisa und Anne studieren beide Lehramt wie ich und Lisa ist ebenfalls gerade schwanger. Aufregend ist das. Bei ihr ist das Baby noch im Bauch und meins ist schon da. Verrückt. Lisa verabschiedet sich recht schnell wieder und ich bin dann mit Anne und Samuel allein.

Später am Nachmittag wollen wir eine kurze Runde auf den Spielplatz wagen. Ich fühle mich heute gut, das Wetter ist schön und Samuel aufgedreht. Er freut sich, dass heute Mami mit ihm raus geht. Auf dem Spielplatz spielt er ausgelassen und ich schone mich so gut es geht, indem ich alles von der Bank aus beobachte. Es tut gut, ein bisschen frische Luft und Vitamin D zu tanken.

Abends merke ich dann doch, dass der Tag ziemlich anstrengend war und bin sehr müde. Zudem scheint mir das Wetter zu schaffen zu machen und ich bekomme einen heftigen Migräneanfall. Vielleicht ist der auch ein bisschen meinem Gefühlsleben geschuldet, denn ich bin ein bisschen wehmütig: Mio ist heute schon zwei Wochen bei uns. Ich fühle mich schlecht weil ich trotz der intensiven Zeit das Gefühl habe, nicht gut genug, nicht intensiv genug genossen zu haben. Zwei Wochen sind wie im Flug vergangen und mal wieder wünsche ich mir einen Stopp-Knopf herbei, mit dem ich die Welt für einen Augenblick lang zum Stillstand bringen kann. Aber ich wünsche und suche ihn vergeblich.

Also lege ich mich ins Bett, kuschel mich eng an unseren kleinen Mio und Niklas kümmert sich um Samuel. Hoffentlich geht es meinem Kopf und dem Gefühlschaos morgen besser.

Alles Liebe,
eure Jasmin