Kindergarten. Einer der wichtigen Eckpfeiler in der Frühkindlichen Entwicklung, so scheint es jedenfalls immer. Der Kindergarten ist angeblich wichtig für die Sozialisation der Kinder und für die Entwicklung verschiedener Kompetenzen und Fähigkeiten. Es ist fast schon ein Trend geworden, das Kind mit einem Jahr in eine Krippe zu geben, während ich in den Neunzigern erst mit drei Jahren in eine Einrichtung kam. Samuel geht seit er zwei ist nun in eine U3 Gruppe und unser Start dort war mehr als holprig. Davon habe ich euch ja bereits hier und auch auf Facebook und Instagram bereits mehrfach erzählt.

Egal ob ich versuche entspannt zu bleiben oder zügig aus dem Haus zu kommen, Samuel möchte einfach nicht in den Kindergarten gebracht werden. Er sträubt sich gegen alles, was damit zu tun hat. Er möchte nicht aufstehen, lässt sich nicht anziehen und auf dem Weg dreht er oft um, fährt oder läuft in die entgegengesetzte Richtung. Fast immer gibt es viele Tränen und lautes Gemecker. Für uns ein großer Grund zur Sorge. Lediglich wenn Niklas ihn ganz allein fertig macht und bringt, ist die Situation etwas entschärft.

Nun fand unser erstes Entwicklungsgespräch im Kindergarten statt und darauf waren Niklas und ich nach den letzten Entwicklungen natürlich ganz besonders gespannt. Wir wollten wissen, ob Samuel tagsüber gern in der Kita ist, oder ob er vielleicht nach uns fragt. Sich unwohl fühlt. Schließlich äußert er jeden Morgen Unbehagen und geht nicht gern in die Einrichtung. Außerdem war uns wichtig zu wissen, wie er mit Veränderungen, neuen Situationen umgeht und ob er im Kindergarten ebenfalls so aggressiv ist wie ab und zu zu Hause.
Wir gingen also mit gemischten Gefühlen in das Gespräch, denn wir wollten vor allem eine Antwort haben: soll Samuel in der Kita bleiben, oder sollen wir die Betreuung beenden?

Das Entwicklungsgespräch

Als wir im Kindergarten ankamen, bot sich uns das selbe Bild wie in den letzten Wochen – nur diesmal noch extremer. Samuel wollte zu Hause wieder gar nicht erst losgehen und in der Kita angekommen, rief er, dass er nach Hause gehen wolle und sträubte sich in die Gruppe zu gehen. Er wollte weder seine Jacke, noch seine Schuhe ausziehen, lief zurück zur Tür und versuchte sie zu öffnen, um das Gebäude zu verlassen. Als es nicht klappte, fing er an zu weinen. Schlug um sich. Er war sichtlich verzweifelt. Wir gingen natürlich auf ihn ein, versuchten ihn zu beruhigen und mit ihm zu reden. Das klappte allerdings nicht sehr gut. Also beschlossen wir, dass ich allein ins Gespräch gehen und Niklas dann nachkommen würde, wenn sich die Situation entspannt hätte.

Das Gespräch an sich war erst mal sehr positiv. Samuel hat seit dem Kitastart einen enormen Entwicklungssprung gemacht und ist in allen Belangen recht fit. Sowohl Grobmotorik, als auch Feinmotorik sind super. Besonders das Schneiden von Papier mit der Schere findet er wohl spannend. Nur mit der Konzentration auf eine Sache für etwas längere Zeit klappt es wohl nicht so. Aber so ist er eben, mein Samuel. Immer Hummeln im Hintern.
Grundsätzlich ist Samuel auch im Kindergarten sehr aufgeweckt und geht auf alle Kinder offen zu, nur wenn ihm eine Situation zu viel wird, zieht er sich gerne mal zurück. Manchmal verkriecht er sich wohl sogar in sein Bettchen und genießt die Ruhe im Schlafraum, obwohl gar keine Schlafenszeit ist. Allerdings passiert das wohl immer ohne Tränen und er fragt auch während der Betreuungszeiten nicht nach uns. Weint er doch mal, weil er sich weh getan hat oder er sich über etwas ärgert, lässt er sich laut Aussage der Erzieherin immer schnell beruhigen.

Veränderungen hingegen, egal ob in der Gruppe oder im Tagesablauf, fallen ihm sehr schwer. Dann ist er schnell verunsichert und zieht sich erst mal zurück, beobachtet lieber. Manchmal kann es da schon ausreichen, dass eine Erzieherin krank oder ein Kind nicht da ist. Aber auch besondere Aktionen wie Geburtstage oder Weihnachtsfeiern sind für ihn eher anstrengend als schön. Außerdem hat Samuel scheinbar große Angst vor den anderen Kindern aus der Ü3 Gruppe. An einem Tag in der Woche wird nämlich zusammen geturnt und getobt und dabei möchte Samuel nicht mitmachen. Er bleibt dann wohl lieber vor der Tür stehen und verzichtet auf den Spaß. „Große Kinder Angst.“ sagt er dann und bleibt lieber allein. Auch wenn die Gruppen untereinander gemischt werden, fühlt sich Samuel sichtlich unwohl und möchte das nicht. Das wäre laut Aussage sowohl durch seine Äußerungen als auch seine Körpersprache deutlich zu erkennen.
Für mich ist das ehrlich gesagt nicht verwunderlich, denn Samuel hatte schon immer ein Problem mit großen Gruppen (in der Ü3 Gruppe sind 25 Kinder) und zu großer Lautstärke. Er weint dann und zieht sich lieber zurück.

Insgesamt nehmen ihn die Erzieher in der Gruppe als sehr feinfühlig und sensibel wahr, was ich aber gar nicht schlimm finde. So kenne ich ihn auch von zu Hause. Aggressivität zeigt er aber scheinbar gar nicht – das widerum sieht ja seit Kitastart bei uns zu Hause völlig anders aus. Bei uns weint und schreit und haut Samuel mindestens für 30 Minuten sobald wir nach der Kita zu Hause ankommen. Das ist natürlich nicht nur für ihn furchtbar anstrengend und Kräfte zehrend, sondern auch für uns.

Was heißt das für uns?

Samuel fühlt sich nicht wohl. Dabei ist es ganz egal, was letztlich der Auslöser ist, ob es die Eingewöhnung war, der zu frühe Start oder auch meine negativen Gefühle, die er vielleicht gespürt hat. Aber ich möchte mein Kind mit seinen Bedürfnissen wahrnehmen. Ich möchte es behüten und schützen und ihm die notwendige Sicherheit geben, dass alles gut wird. Dass er gut ist, wie er ist. Dass er nicht an einen Ort gehen muss, an dem er sich nicht wohl fühlt.

Also haben wir uns dazu entschieden, zunächst die Betreuungszeiten radikal zu verkürzen und ihm mittels Bildern zu visualisieren, an welchen Tagen er in den Kindergarten gehen soll. Das soll ihm zunächst Sicherheit im Wochenablauf geben und durch die verkürzte Betreuung hat er mehr Zeit mit uns. Wir haben das beides direkt nach dem Entwicklungsgespräch umgesetzt, so dass Samuel nun nicht mehr bis nach dem Mittagsschlaf in der Kita bleibt, sondern bereits vorher abgeholt wird. Ob sich die Situation dadurch bessert, wissen wir natürlich nicht. Kindergartenfrei werden wir also erst mal nicht machen, auch wenn das mein erster Impuls war. Stattdessen beobachten, auf das Kind eingehen und gaaaaanz langsam machen.

Daher gilt es nun sowohl für die Betreuungspersonen im Kindergarten, als auch für uns, ihn ganz genau zu beobachten und herauszufinden, ob er grundsätzlich doch gern in den Kindergarten geht. So war nämlich die klare Rückmeldung der Erzieherinnen. Wir hoffen, dass sich die Situation dadurch erst mal ein bisschen entspannt. Aber wir haben auch beschlossen, Samuel aus der Gruppe zu nehmen, sollte die Situation sich nicht merklich verbessern. Auch wenn uns im Entwicklungsgespräch davon  klar abgeraten wurde. Wir glauben, dass Samuel momentan ein großes Bedürfnis nach uns als Eltern hat und vielleicht noch nicht so weit war, sich einer für ihn so großen Gruppe zu öffnen. Bei einer solchen Gruppenstärke ist es vielleicht auch für die Erzieher nicht immer möglich, ein Kind absolut richtig einzuschätzen und wir als Eltern kennen Samuel am besten, ganz nach dem Leitsatz

Die Eltern, und nur die, sind die Experten für ihre Kinder.

Sollte Samuel also weiterhin jeden Morgen weinen und jeden Mittag so aggressiv sein, dann darf er zu Hause bleiben. Wir möchten ihn auf keinen Fall dazu zwingen, an einem Ort zu sein, an dem er nicht sein möchte.

Letztlich ist es nur ein Gefühl, dem wir versuchen zu vertrauen. Ich denke nicht, dass die Erzieherin Recht hat, wenn sie sagt, dass Samuel nur aus Trotz so reagiert, um zu Hause bleiben zu dürfen. Dass er schaut, wo eben Mamas und Papas Grenzen sind und dann so lange weint, bis wir ihn wieder mitnehmen. Kinder in dem Alter weinen nicht, um zu manipulieren; das gewünschteste Wunschkind hat dazu einen tollen Artikel geschrieben. Manipulation funktioniert nur mit Empathie. Wir möchten daher auf unser Bauchgefühl hören und eine andere Lösung finden. Ich denke, wenn er weint, wird es einen guten Grund dafür geben. Vielleicht mag dieser zunächst für uns nicht einleuchtend sein, vielleicht ist es eine unbegründete kindliche Angst – ich weiß es nicht. Aber wir möchten, dass Samuel merkt, dass er wahrgenommen wird. Dass wir sehen, dass es ihm so aktuell nicht gut geht. Dass wir seine Bedürfnisse erkennen und ihnen. Wir möchten, dass Samuel glücklich ist.

Die Semesterferien fangen nun an, unser großes Glück, weil wir dann zusammen unser Kind auffangen können. Wir haben sehr viel Zeit, in der wir Samuels weitere Entwicklung beobachten können und in uns hineinhorchen. Ich hoffe sehr, dass unsere jetzige Lösung ein guter Weg für unser Kind ist, denn ich wünsche mir, dass er sich wohl fühlt. Und wenn das nicht der Fall ist, dann ist das kein Weltuntergang. Unser Kind ist noch so klein, es braucht uns. Dann nehmen wir es aus der Gruppe und betreuen es zu Hause. Ich bin mir sicher, eine Lösung wird sich finden.

Alles Liebe,
eure Jasmin