Das Eingehen auf die nächtlichen Bedürfnisse deines Kindes ist nichts Schlechtes. Du musst dein Kind nicht schreien lassen.
Immer wieder lese ich verzweifelte Eltern, die sich nur eins wünschen: ein schlafendes Baby. Ihnen wird zu Schlaftraining geraten, in denen das Kind ans alleine schlafen gewöhnt werden soll.
Warum Schlaftrainings nicht gut für eure Eltern-Kind-Beziehung sind
Unsere westliche Kultur hat mittlerweile einige Entwicklungen gemacht, die ich nicht gut finde. Unsere Gesellschaft sagt uns, dass Babys die Nacht durchschlafen sollten. Sie sagt uns, dass Kleinkinder in ihren eigenen Betten schlafen sollten. Wenn wir die ganze Nacht über ständig stillen, schaffen wir für das Baby schlechte Essgewohnheiten. Unsere Gesellschaft sagt uns, dass, wenn unsere Kinder unser Familienbett teilen, sie nie wieder dort ausziehen werden. (Ich entgegnete dann immer, dass sie spätestens bei der ersten Partnerschaft ganz sicher ihre eigene Privatsphäre möchten.)
Keins dieser Dinge ist wahr. Diese Ratschläge basieren auf westlichen kulturellen Annahmen, dem Wunsch nach Freiheit, nicht aber auf den Bedürfnissen von Kindern ODER Eltern. Eigentlich erscheint mir so vieles, was GEGEN Schlaftrainings spricht absolut logisch. Und dennoch ist es ein umstrittenes Thema. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Menschen denken, wenn man die Bedürfnisse des Babys stillt, man sich stets selbst vernachlässigt. Aber so ist das nicht. Bei bedürfnisorientierter Erziehung geht es um die Bedürfnisse aller Familienmitglieder. Oder sogar aller Menschen im Umfeld.
Babys müssen nicht leiden, damit sich die Eltern ausruhen können. Und Eltern müssen nicht so leiden, wie es unsere moderne Gesellschaft vorschreibt. Die Leute, die diese Schlaftrainings verkaufen, müssen aufhören, so zu tun, als ob sie einen großartigen Dienst leisten, indem sie Babys das Schlafen beibringen. Denn was sie wirklich tun, ist die Verwendung manipulativer Marketingstrategien, um Eltern davon zu überzeugen, ihr Baby zu ignorieren, wenn jede Faser ihres Körpers laut schreit: „Das fühlt sich falsch an.“
Dein Kind fühlt sich in dem Moment, in dem du fünf Minuten vor der Tür abwartest, um das nächste Schlaftrainings-Intervall zu starten, mutterseelenallein. Es denkt, dass seine Mama weg ist. Dass es allein ist. Es hat vielleicht Todesangst – denn ein Kind versteht nicht, dass Mama nach fünf Minuten wieder da ist. Es wird das Vertrauen in das Gefühl verlieren, dass seine Eltern immer da sein werden, wenn es sie braucht.
Es geht um das Bedürfnis nach mehr Schlaf für die Eltern
Stell dir vor, Schlaftrainer wären ehrlich und sagten: „Wenn du dein Baby lange genug ignorierst, wird es aufhören zu weinen, wird es aufgeben sich zu wehren. Denn es wird die Erfahrung machen, dass niemand kommt, wenn es schreit. Und dann kannst du in Ruhe schlafen.“ Der eigentliche Grund für Schlaftrainings ist doch, dass die Eltern gern mehr Schlaf möchten. Es geht um die ELTERN. Wir müssen also bei uns selbst anfangen und überlegen, wo wir uns vielleicht etwas Zeit schaffen können, in der wir zur Ruhe kommen.
Kinder brauchen Verbindung
Wenn man sich aber klar macht, dass der Mensch durch Beziehungen lebt, wird vieles verständlicher. Der Mensch lebt für enge Verbindungen. Wir alle wollen gesehen und gehört werden. Wir sehnen uns nach Nähe. Wir möchten für unsere Kinder DA sein. Das Bedürfnis eines Kindes nach Trost, Wärme, Beruhigung und Nahrung ist gut und richtig. Du tust nichts schlechtes, wenn du diese Bedürfnisse nach bestem Gewissen erfüllst. Du bist nur ein Elternteil, das tut, was Eltern seit Jahrtausenden getan haben – dich um das Kind zu kümmern, so gut man kann.
Wenn ich mich gegen das Schlaftraining ausspreche, geht es nicht darum, andere Mütter zu beschämen. Es geht darum, aufzuklären. Und das eigentlich Normale wieder zu normalisieren. Zu sagen: hey, es ist normal, dass dein Baby nachts sechs mal wach wird. Es ist normal, dass es zum Schlafen ganz eng bei dir sein will und nicht in seinem eigenen Bettchen schläft. Es ist normal, dass es Nähe und Geborgenheit sucht. Es geht darum, das Chaos zu beseitigen, das unsere Gesellschaft in den letzten 150 Jahren geschaffen hat. Es geht darum, aktuelle kulturelle Werte wieder in Frage zu stellen. Und es geht darum, achtsam zu werden und Mamas zu helfen, die Hilfe brauchen. Mutterschaftsurlaub, Vaterschaftsurlaub, freier Zugang zu Stillberatern, evidenzbasierte Richtlinien für den sicheren Schlaf. Eine Schulter zum Weinen, die Sicherheit, dass uns keiner ausmacht, wenn wir zugeben, dass wir völlig erschöpft sind. Was wir brauchen, ist Empathie. Wir brauchen eine warme Tasse Kaffee und eine Dusche. Jemanden, der uns mal kurz die Kinder abnimmt. Etwas Schlaf am Wochenende, wenn Oma einen Spaziergang mit dem Mini macht. Und vor allem ganz viel Verständnis.
Manchmal hilft schon der Gedanke, dass es bald besser wird.
Vertraue weiterhin deinem Instinkt. Vertraue weiterhin deinem Baby und vergiss, was jemand anderes sagt.
Alles Liebe,
Ach noch ein Nachtrag (wieso fällt einem vieles immer erst hinterher ein? 🙄): der Hinweis, dass unsere westliche Kultur da einen so anderen Weg eingeschlagen hat die letzten 150 Jahre und andere Kulturen es völlig selbstverständlich finden, das Bett mit den Kindern bis ins Kleinkindalter zu teilen oder sie jede Nacht 5-10 mal in den Schlaf zu stillen, sehe ich zwar ein, aber in diesen Kulturen kümmert sich ein ganzes Dorf (wortwörtlich) um die Kinder, und nicht eine übermüdete Mutter, die wenn es schlecht läuft auch noch nach 9 Monaten wieder arbeiten gehen muss und keine Verwandtschaft in der Nähe hat, oder (wie in meinem Fall) wo alle Großeltern noch Vollzeit arbeiten. Auch wenn ich wünschte dass es anders wäre.
Zum Thema Schlaftraining lautet meine Meinung eindeutig JEIN 😄 das Baby schreien lassen? Auf gar keinen Fall! Dem Baby sanft Hilfestellung leisten wieder in den Schlaf zu finden? Ja! Ich hab monatelang nicht mehr als 1-1,5 Std Schlaf am Stück bekommen weil die kleine dauernd wach wurde und nur an der Brust wieder einschlief. Hunger war das nicht, nach 3-4 Schlücken war es wieder okay. Das Problem: ich konnte nicht neben ihr schlafen, jeder Seufzer ließ mich wach werden.in manchen nächten bekam ich gar keinen Schlaf. Aber 6 mal die Nacht aufstehen und ins Nebenzimmer gehen? Auch keine Option. Also hab ich sie erst einige Nächte in den Schlaf geschaukelt, dann nur noch getragen, dann gestreichelt, dann reichte eine Hand auf dem Rücken (ja, bauchschläfer, Schande auf mein Haupt 😄) und dann schlief sie irgendwann durch mit etwa 6,5 Monaten, ganz ohne Geschrei, im eigenen Zimmer. Was ich damit sagen will: Schlaftraining heißt nicht immer „schreien lassen“ sondern dem Kind einfach andere Wege zu zeigen in den Schlaf zu finden. Leider haben meine Hebamme und meine schlafberaterin (1001 kindernacht zertifiziert) es mit ihren Ratschlägen für mich nur immer schlimmer gemacht. Bis ich nicht mehr konnte. Geholfen hat mein Kinderarzt, der völlig ohne erhobenen Zeigefinger und dogmatik Ratschläge gab. Ich würde sagen, ich habe mit meinem Kind Schlaftraining gemacht (strikte Routine tagsüber, feste Schlafenszeiten tagsüber und abends etc), aber ich habe sie NIE schreien lassen. Auch keine 5 Minuten. Ich habe übrigens das Gefühl, dass sie, seit sie viele Stunden am Stück schläft nachts, wesentlich ausgeglichener ist.
Oh, wie Recht du hast. Ich finde es so verrückt, wie viele Eltern Schlaftrainings durchführen. Wir haben verlernt, auf unserem Elterninstinkt zu hören. Wenn ich höre, dass jemand sein Kind nachts nicht tröstet, damit es durchschläft, möchte ich heulen. Urvertrauen ist doch so wichtig…