Wusstet ihr, dass ein Paar mehr Zeit damit verbringt, herauszufinden, welches Auto oder welches Haus es kaufen will, als sich auf die Geburt ihres Kindes vorzubereiten? Ich finde das sehr komisch, denn eine Geburt ist doch wohl ein viel einschneidenderes Ereignis als ein Autokauf! Und auch wenn eine Geburt nicht von Grund auf planbar ist, gibt es dennoch so viele Möglichkeiten und Eventualitäten, auf die man sich schon in der Schwangerschaft sehr gut vorbereiten kann.  Man kann das Wann nicht bestimmen – mal abgesehen von einem geplanten Kaiserschnitt. Aber es kann helfen, sich vor der Geburt umfassend Gedanken um das Wie zu machen. Meistens hat man ja doch eine Vorstellung, unter welchen Umständen die Geburt stattfinden soll. Ich habe mir für meine zweite Geburt deshalb einen Geburtsplan erstellt, auf dem ich für meinen Mann und meine Hebamme, sowie das Klinikpersonal festgehalten habe, was ich mir für die Geburt wünsche. Auf diese Weise kann man sicherstellen, dass alle an der Geburt beteiligten Personen an einem Strang ziehen und im Ernstfall nicht darüber debattiert werden muss, was nun zu tun ist. Für euch habe ich eine kleine Liste an Entscheidungen zusammengestellt, über die ihr vor der Geburt nachdenken könnt, gern auch gemeinsam mit dem Partner.

Leider wird heute viel zu schnell bei einer Geburt interveniert, um die Geburt voran zu bringen. Dies beeinträchtigt aber die natürliche Arbeit des Körpers, er ist irritiert, wird quasi aus dem Takt gebracht. Nicht selten folgt einer Intervention später auch ein Kaiserschnitt. Daher ist es wichtig, sich noch mal bewusst zu machen, wie die Natur sich das mit dem Gebären eigentlich gedacht hat. Ich führe da immer gern das Katzengleichnis an.

“Wir wissen, dass Katzen zum Gebären ungestört sein müssen, an einem dunklen, einsamen Ort, vielleicht vorbereitet mit einer weich ausgeschlagenen Schachtel. Und alle, die Katzen kennen, wissen auch, dass man eine Katze beim Gebären oder ihr Neugeborenes nie stören darf, sonst hören die Wehen auf oder sie nimmt ihre Jungen nicht an.

Und jetzt stellen Sie sich vor, dass vor langer Zeit eine Gruppe von gut gemeinten Wissenschaftlern sich vorgenommen hat, das Gebärverhalten von Katzen zu untersuchen.

Sie haben angefangen, Katzen beim Gebären zu beobachten im hell erleuchteten, lauten, modernen Labor. Sie schlossen sie an viele Monitore und Sonden an, umgaben sie mit fremden Technikern, die ständig rein und raus gingen, um alles zu dokumentieren.
Die Studien an den gebärenden Katzen in den hell erleuchteten Kabinen gingen über viele Jahre. Es zeigte sich, dass die Geburtsarbeit unkoordiniert wurde, länger dauerte oder mittendrin aufhörte. Die Katzen waren zunehmend gestresst, ihr Stöhnen und ihre Schreie waren schrecklich. Die Jungen hatten Sauerstoffnot, kamen deprimiert zur Welt und brauchten Reanimation. Da kamen die Wissenschaftler zum Schluss: Es scheint, dass Katzen nicht gut gebären können.
Sie erfanden Maschinen, um das Gebären zu verbessern und den Sauerstoffgehalt im Blut der Jungen zu überwachen, sie erfanden Schmerzmittel und Tranquilizer, wehenmittel und Wehenhemmer und entwickelten Notfalloperationen.
In wissenschaftlichen Papieren berichteten die Wissenschaftler über die Schwierigkeiten der Katzen beim Gebären und gleichzeitig über ihre eigene hoch entwickelte, effiziente Geburtstechnologie. Die Medien streuten diese Erkenntnis und bald brachten alle ihre Katzen zum Gebären ins Labor. Das muss für die Katzen der sicherste Platz zum gebären sein.

Jahre gingen ins Land, die Arbeit der Labors nahm zu, immer neues Personal wurde eingestellt, langsam wurden die ersten alt und gingen in den Ruhestand. Leider wusste die zweite Generation nichts mehr vom ursprünglichen Experiment. Sie wussten nicht einmal, dass das ganze ein Versuch war. Sie hatten noch nie erlebt, wie Katzen an einem einsamen platz in einer weichen ausgeschlagenen Schachtel ihre Jungen gebären – wieso auch, was für eine gefährliche Idee! Sie waren absolut überzeugt, dass Katzen ohne die Hilfe von viel Technologie nicht gebären können. Sie dachten an die vielen wissenschaftlichen Ergebnisse, die sie in den letzten Jahren gesammelt hatten und waren sehr zufrieden mit sich selbst, ihrer klugen und guten arbeit und den vielen Katzen und Jungen, die sie gerettet haben.”

Dunkel, behütet in einem kleinen Raum, ohne viele Zuschauer – so kann eine Geburt am besten stattfinden. Ich möchte euch Mut machen, für diese Dinge einzustehen, sie euch einzufordern. Und nein, ich möchte damit nicht sagen, dass man nur zu Hause so gebären kann! Auch in einer Klinik kann man es sich muckelig machen. Ihr könnt beispielsweise das Licht dämmen, den Raum optisch verkleinern durch einen Paravent oder einen Stuhl, den ihr vor euch stellt. Und ihr könnt ganz klar eure Bedürfnisse kommunizieren – mit einem Geburtsplan.

In einem Geburtsplan werden alle Wünsche und Bedürfnisse vor der Geburt schriftlich festgehalten. An der Geburt selbst könnt ihr den Plan dann mitnehmen und ihn vorab dem Personal übergeben mit der Bitte, sich nach Möglichkeit daran zu halten. Manchmal macht es auch Sinn, den Plan bereits beim Anmeldegespräch in der Klinik abzugeben. Eurer Hausgeburtshebamme könnt ihr den Plan natürlich auch schon viel früher zeigen. Wichtig wird er vor allem immer dann, wenn ihr nicht gestört werden wollt (denkt an die Katze!) oder ihr vielleicht nicht mehr selbst sprechen könnt. Da kann es sehr helfen, wenn das Personal trotzdem weiß, was ihr euch wünscht und kann so viel eher auf eure Bedürfnisse eingehen. Übrigens sind die Wünsche alle in Ich-Form formuliert. Was für euch nicht zutreffend ist, lasst ihr weg/ streicht ihr.

Geburtsplan

Ich möchte, dass eine Hebamme / ein Arzt / beide im Wechsel mich betreut.
Ich möchte, dass mein Partner bei den Untersuchungen dabei ist?
Es soll nur eingeleitet werden, wenn es medizinisch notwendig ist?
Es soll standardmäßig auf einen Ultraschall verzichtet werden, um Größe und Gewicht des Babys zu messen. Ein US soll nur stattfinden, wenn eine Indikation vorhanden ist! (Hinweis: Die Messungen beim Ultraschall im 3. Trimenon können eine Abweichung von 10% haben, das entspricht bei einem Gewicht von 3000 g einer Abweichung von +/- 300 g!)
Bei Eintreffen in der Klinik verzichte ich auf einen vaginalen Befund, da dieser mich in meiner Wehenarbeit stört.
Als Geburtsort wünsche ich mir Hausgeburt / Klinikgeburt / Wassergeburt.
Ich möchte eigene Kleidung tragen und kein Klinikhemd.
Ich verzichte auf einen standardmäßigen Zugang. Er soll nur gelegt werden, wenn es medizinisch notwendig ist.
Ich möchte unter der Geburt essen und trinken dürfen, wenn mir danach ist.
Ich möchte mich unter der Geburt frei bewegen dürfen (laufen / knien / tiefe Hocke / ruhen).
Ich möchte kein Dauer-CTG.
Ich möchte nicht, dass die Blase künstlich geöffnet wird. Wenn doch, möchte ich, dass das vorher mit mir besprochen wird.
Ich möchte im Falle eines Geburtsstillstandes erst eine natürliche Oxytozin-Ausschüttung anregen, bevor interveniert wird.
Ich möchte keine Epiduralanästhesie (PDA) angeboten bekommen. Wenn ich eine PDA möchte, sage ich selbst Bescheid.
Ich möchte die Geburtsposition frei wählen und verändern dürfen. (Die natürliche Haltung ist nicht auf dem Rücken liegend! Es ist für Schwerkraft etc. besser, in einer knienden oder hockenden Position zu gebären.)
Ich möchte die Plazenta sehen.
Ich möchte die Plazenta mit nach Hause nehmen (um einen Baum darauf zu pflanzen, Globuli herstellen zu lassen etc.).
Ich möchte die Nabelschnur auspulsieren lassen, bevor sie durchtrennt wird. (Zum Zeitpunkt der Geburt befinden sich noch 30 bis 40% des gesamten Blutvolumens des Babys in der Nabelschnur und der Plazenta. Wird zu früh abgenabelt, startet das Baby mit nur 60-70% des Blutes.)
Ich möchte die Nabelschnur selbst durchtrennen / dass mein Partner die Nabelschnur durchtrennt.
Ich möchte direkt nach der Geburt mit dem Bonding beginnen. Das Baby soll mir nackt auf die Brust gelegt werden. (Die APGAR Werte können auch so bestimmt werden, lasst euch nicht verunsichern.)
Ich möchte mein Baby stillen.
Ich möchte, dass mein Baby (kein) Vitamin K bekommt.

Die Liste kann natürlich beliebig ergänzt werden. Wichtig ist, dass ihr möglichst klar formuliert, was ihr möchtet oder eben nicht möchtet. Wer gut informiert ist, ist bestmöglich auf die Geburt vorbereitet. Dann kann euch Klinikpersonal auch nicht mehr so schnell einschüchtern, denn ihr wisst es dann besser oder habt ausreichend Hintergrundinformationen, um eine Entscheidung abzuwägen. Beispielsweise ist ein Geburtsstillstand nicht zwangsläufig ein Grund für Intervention oder gar einen Kaiserschnitt (siehe auch der Artikel von Von guten Eltern).

Wenn ihr euch bei einem Punkt unsicher seid, diskutiert mit dem Fachpersonal, belest euch und versucht, eine für euch gute Antwort zu finden. Wendet euch an jemanden, der diese Dinge kennt, oder euch an den richtigen Ansprechpartner verweist. Das können Geburtshelfer, Doula, Ärzte, La Leche League-Mitglied oder Familienmitglieder sein! Unabhängig davon, ob ihr selbst die Entscheidung trefft oder ob das jemand anderes für euch tut … stellt sicher, dass ihr euch damit wohl fühlt, denn ihr müsst das Baby bekommen.

Alles Liebe,
Jasmin

 

Foto von Esther Mauersberger