Kinder gehen heute immer früher in Betreuungseinrichtungen. Die Eltern wollen wieder in den Job einsteigen und das Kind gleichzeitig möglichst früh fördern. Auch als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, war für uns als Eltern sofort klar: im Alter von einem Jahr geht es in eine Krippe und wir studieren in Vollzeit weiter. Ich stellte diesen Gedanken damals gar nicht in Frage, denn schließlich machen es viele Eltern so. Ein Jahr Elternzeit und danach voll zurück in den Beruf. Aber da habe ich die Rechnung ohne mein sensibles Mamaherz gemacht – und ohne Niklas‘ intensive Vatergefühle.

Kaum war unser Baby geboren, konnten wir uns nämlich so gar nicht mehr vorstellen, Samuel so schnell in eine Fremdbetreuung zu geben. Wir wünschten uns mehr Zeit mit ihm und er genoss die Nähe zu uns offenbar sehr. Immer mehr bekamen wir das Gefühl, unser Kind nicht mit einem Jahr in eine Fremdbetreuung geben zu wollen – und hörten schließlich darauf. Samuel blieb zu Hause, Niklas und ich wechselten uns mit der Betreuung weiterhin ab und wir alle drei waren sehr zufrieden. Ich muss sagen, wir haben das recht gut gewuppt bekommen und den Spagat zwischen Freizeit, Studium, Haushalt und Kind recht gut gemeistert.

In den 90ern war es außerdem völlig normal, ein Kind erst mit drei Jahren in den Kindergarten zu geben, zumindest habe ich das so erlebt. Bei uns und in den umliegenden Dörfern gab es keine Krippen und die Mamas blieben meist drei Jahre lang ihrem Beruf fern – oder aber brachten das Kind zu einer Tagesmutter. Heute ist das völlig anders, seit 2013 hat man sogar einen rechtlichen Anspruch auf einen Krippenplatz. Mir scheint es, als würde man fast schief angeguckt werden, wenn der Nachwuchs nicht mit einem Jahr fremd betreut wird. Tatsächlich bekomme ich immer häufiger kritische Fragen gestellt. Was macht ihr denn dann den ganzen Tag? Und die sozialen Kontakte? Und wann willst du wieder arbeiten und studieren?

Nun, mit fortschreitender Schwangerschaft, bin ich mir oftmals gar nicht mehr so sicher, ob die Entscheidung gegen eine Fremdbetreuung so gut war. Ich frage mich, ob ich den Bedürfnissen unseres Wirbelwindes überhaupt noch gerecht werden kann – vor allem mit wachsendem Bauch und der damit zunehmenden Sehnsucht nach etwas Ruhe für meinen Körper.

Im ersten Babyjahr habe ich mir über eine ausreichende Förderung kaum Gedanken gemacht, Samuel lernte alles in seinem Tempo und über Entwicklungsschritte, kleine wie große, freuten wir uns jedes Mal riesig. Mit drei Monaten gingen wir wöchentlich zum PEKiP, dort wurden immer altersgerechte Spiele oder Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten. Als er etwas älter war, haben wir uns meist drei Mal die Woche mit anderen Gleichaltrigen zum Spielen getroffen, sind auf Spielplätze gegangen oder haben in den umliegenden Parks auf der Wiese getobt. Nun sind aber fast alle von Samuels sozialen Kontakten in einer U3-Kita oder bei einer Tagesmutter untergebracht und ein so häufiger Austausch ist allein deshalb kaum noch möglich. Auf den Spielplätzen tummeln sich andere Kinder oft erst ab dem späten Nachmittag – da bleibt mir nur, mir vormittags und mittags selbst eine Beschäftigung für den Rabauken auszudenken. Und genau da liegt der Knackpunkt.
Natürlich puzzlen wir, lesen Bücher, spielen Ball, malen, was man eben so tut mit einem Eineinhalbjährigen. Und Samuel entwickelt sich meiner Meinung nach prächtig. Aber ganz oft merke ich, wie mir die Ideen ausgehen oder denke mir, dass Samuel in einer Krippe ganz anderen Input bekommen würde – allein schon wegen der täglichen sozialen Kontakte. Hinzu kommt, dass das Angebot an Spielmaterialien und Bewegungsmöglichkeiten höher ist als bei uns zu Hause. Ein besonderes pädagogisches Konzept wie beispielsweise ein kreativer Schwerpunkt oder Waldkindergarten tragen zusätzlich zu einem großen Spaß- und Lernfaktor bei.
Zu Hause ist all das etwas anders, vor allem aber entzerrt. Samuel beschäftigt sich auch gut allein und ich biete ihm zwischendurch – zwischen Haushalt und Unikram – gemeinsame Aktivitäten an. Wir spielen Fangen, verstecken uns, gucken Bücher an und bauen Türme, nur eben über den Tag verteilt. In der Krippe wäre er fast durchgängig mit anderen Kindern beschäftigt, würde gefordert und gefördert werden.

Immer häufiger stelle ich mir die Frage, ob es nicht besser wäre, Samuel ab Herbst – sofern wir einen Platz bekommen – zur Tagesmutter oder in eine Krippe zu geben. Mein Mamaherz schmerzt bei dem Gedanken, während mein Verstand mir sagt, dass ich mit einem Neugeborenen und dem Haushalt (und doppelter Müdigkeit, oder?) nicht mehr genauso viel Zeit für unsere Spielzeit finden werde. Ich weiß, dass Samuel sie Nähe genießt und seine Eltern noch sehr braucht. Das merke ich vor allem dann, wenn wir uns in größeren Gruppen mit anderen Kindern und Mamas treffen, dort ist er eher verängstigt und braucht eine ganze Weile, um aufzutauen. Hier habe ich mehr darüber geschrieben. Samuel weiß sich selbst am sichersten in seinem gewohnten Umfeld, was in seinem Alter ja auch total normal ist.
Ich habe Angst, dass er in der Krippe anfangs große Schwierigkeiten haben wird und er vielleicht das Urvertrauen in uns verliert, weil er sich plötzlich allein gelassen fühlt. Und ich gebe ehrlich zu, dass es sich für mich einfach nicht richtig anfühlt, Samuel jetzt schon in die Fremdbetreuung zu geben. Ich bekomme Bauchgrummeln und will den Moment so lange wie möglich herauszögern.

Ich bin mir sicher, dass wir mit der Zeit die richtige Lösung für uns finden werden. Bis dahin machen wir das Beste aus unseren gemeinsamen Stunden.

Alles Liebe,
eure Jasmin