Zwei Jahre nach meiner Fehlgeburt – von Stürmen, einem Regenbogen und Dankbarkeit

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Ich bin Mama von drei Kindern. Drei? Ja… Samuel, ein kleines Sternenkind und Mio, unserem Regenbogenbaby. Sternenkind, Regenbogenbaby – Begriffe, die für mich lange fremd waren, bis ich unser zweites Kind in der Frühschwangerschaft verlor.  Meine Fehlgeburt war lange Zeit ein traumatisches Erlebnis für mich. Ein Kind zu verlieren, völlig egal wann, führt einen in eine völlig andere Welt an Emotionen, Sprache und Beziehungen. Es stößt dich in eine Gemeinschaft von Eltern, von der du nie erwartet hast, dass du jemals dazu gehörst.
Viele Menschen haben die Einstellung, dass, wenn ein Baby vor der zwölften Woche geht, es nicht so tragisch ist, wie ein Kind später zu verlieren. Ich denke, dass niemand das Recht hat, das zu vergleichen. Jede Mama, die sich ein Kind wünscht, baut ab dem Zeitpunkt der beiden zarten rosa Linien auf dem Schwangerschaftstest eine gewisse Vertrautheit, eine Bindung zu dem Baby auf. Freude und Verbundenheit folgen unmittelbar – und somit auch Trauer und Wut und Hilflosigkeit mit dem Gehen dieses kleinen Geschöpfes, das man sich so sehr gewünscht hat.
Ungefähr drei Monate nach meiner Fehlgeburt, wurden wir von einem erneuten positiven Test überrascht. Es war ein heißer Tag, mitten in Bangkok und wir konnten rüber zur Khao San Road blicken. Da standen wir, in einem thailändischen Badezimmer mit Teststreifen und verstanden kein Wort des Beipackzettels. Aber zwei rosa Streifen sind nunmal zwei rosa Streifen – hier und auch am anderen Ende der Welt und so flog ich schwanger mit unserem Regenbogenbaby zurück nach Deutschland. Ein Regenbogenbaby ist das nach einer Feh- oder Totgeburt geborene Baby. Regenbogenbaby. Man sagt, dass nach dem Sturm das Licht kommt und in den schönsten Farben erscheint. Ein schöner Regenbogen erscheint, wenn Licht und Regen zusammenkommen. Der Sturm ist immer noch hin und wieder sehr präsent in meinem Leben, besonders an Tagen wie heute, aber immer ist auch dieser herrlichen Regenbogen hier, unser kleiner Mio, den es ohne den Sturm nicht geben würde.
Der intensive Teil meines Sturms ist vorüber, aber er hinterließ Trümmer und eine unbeschreibliche Nachwirkung, ähnlich wie eine Stadt nach einem Tornado oder Hurrikan in Trümmern liegen kann. Meine Schwangerschaft brachte eine Flut von Erinnerungen, von traurigen Momenten und ein Meer voll Tränen. Lange war da ganz viel Trauer mit Freude gemischt. Es tat so weh, nie zu wissen, wie dieses, unser Kind, wohl gewesen wäre. Diese Wahrheit umgibt mich auch heute wieder in Wellen der Emotionen und lässt mich manchmal hilflos und atemlos zurück. Aber ich weiß, dass mein Sturm stets vorüberzieht und aufklart für Sonne, Lachen, Freude und vor allem Frieden.

Ich gebe zu, dass es nicht immer leicht war, die Folgeschwangerschaft nach dem Verlust genauso positiv zu sehen, wie die beiden vorangehenden. Wie oft habe ich mich gefragt, wie das andere Baby wohl gewesen wäre. Ob es ein Mädchen oder ein kleiner Junge war, ob es eine Augen gehabt hätte, oder Niklas‘ Haare. Rückblickend bin ich so dankbar, dass ich allen von meiner Schwangerschaft erzählt hatte und jeder von diesem Kind wusste. Vor allem bestätigte es, dass es echt war. Es hat existiert. Über eine Fehlgeburt zu sprechen, ist ein Tabuthema. Es ist immer unangenehm und unbequem. Niemand weiß, was er sagen soll, und die meisten haben das Gefühl, dass sie nicht das Richtige sagen werden und meide deshalb das Thema gänzlich. Aber das verursacht nichts als Schmerz, Isolation und Depression für die Person, die gerade ihr Baby verloren hat.

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Mit einer Schwangerschaft nach dem Verlust eines Kindes hat man aber nur zwei Möglichkeiten –  in Angst leben oder Hoffnung bewahren. Bevor ich unser Baby verlor, hatte ich nur eine leise Ahnung, wie viele Komplikationen die Schwangerschaft beeinflussen können. In der Folgeschwangerschaft versuchte ich, für Ängste keinen Platz zu lassen und voll auf meinen Körper zu vertrauen. Das klappte am Anfang nicht so gut (siehe hier), dann aber immer besser. Ich meditierte, schickte dem Baby positive Gedanken und sammelte dadurch sehr viel Kraft. Am meisten hat es mir geholfen, zu wissen, dass ich immer jemanden habe, mit dem ich reden kann. Dem ich mich anvertrauen kann und der mich ernst nimmt. Mich auszutauschen mit anderen Betroffenen und gemeinsam zu trauern. Wenn du also ebenfalls einen Verlust erlitten hast und über meinen Blog gestolpert bist – mein Herz bricht in einer Million Stücke für dich. Ich weiß, dass keine Worte dieser Welt nun Trost spenden können, keine orte dir die Trauer nehmen können und niemand die Wut.
Ich denke deshalb, dass mein bester Ratschlag für Mamas mit einem Sternenkind ist, das Leben so anzunehmen, wie es kommt. Es ist okay zu trauern, es ist okay, wütend zu sein, es ist völlig okay, all diese Emotionen zu haben. Seid sanft zu euch und geht nicht zu hart mit euch ins Gericht. Versteht, dass ihr Grenzen habt, und wenn der Sturm zurückkehrt und etwas zu schwer zu ertragen ist, ist es in Ordnung, einen Schritt zurück zu machen und sich eine Pause zu gönnen, um euer Herz zu schützen. Es ist in Ordnung, Traurigkeit vom anhaltenden Sturm zu fühlen und gleichzeitig die Schönheit des Regenbogens zu feiern. Vergesst nicht, dass dieses Kind für immer in eurem Herzen sein wird.

Heute, zwei Jahre nach diesem, für mich, schweren Verlust, fühle ich mich besser. Fühle ich, dass da zwar noch Schmerz ist, aber die Wut ist fast verflogen. Stattdessen ist da jetzt Dankbarkeit für unser drittes Kind. Für diesen kleinen bezaubernden Jungen, dessen großes Geschwisterkind im Himmel über uns wacht. Dankbarkeit dafür, dass unser kleiner Mio Oscar gesund und munter ist. Dass er mit uns lacht und klatscht und küsschen verteilt. Dankbarkeit dafür, dass mein Herz voll Wärme und Liebe ist, für diese vier Geschöpfe: meine Kinder und meinen Mann Niklas.

Alles Liebe,
Jasmin

Ein Jahr nach meiner Fehlgeburt ging es mir so.