Lange haben wir uns ein zweites Kind gewünscht. Naja, sofern man es als lange bezeichnen kann, wenn das erste gerade etwas über einem Jahr alt ist. Aber für uns stand immer fest, dass wir erstmal keinen großen Abstand zwischen der Geburt unserer Kinder haben wollen. Nachdem ich im Mai dann wieder schwanger war, konnten wir unser Glück kaum fassen. Leider wurde uns dieses Glück nicht lange gewährt. Ich hatte eine Fehlgeburt. Noch während ich diese Zeilen hier schreibe, spüre ich wieder diesen dicken Kloß im Hals. Die Trauer über das verlorene Kind.
Wir beschlossen nach der Fehlgeburt unsere Gefühle erstmal sacken zu lassen, die Trauer zu bewältigen und es „einfach auf uns zukommen zu lassen“. Wir fuhren in den Urlaub, nein, begingen die Reise unseres Lebens. Die Reise, die erneut unser Leben verändern sollte. Die Reise, die uns ein weiteres Familienmitglied bescherte – das in meinem Bauch.

Aber so sehr wir uns dieses Kind gewünscht hatten, so sehr erstaunt mich meine Reaktion. Als ich den Teststreifen ablas und dort zwei Striche sah, da spürte ich nicht diese unbändige Freude wie beim ersten Kind. Das Kribbeln, die Freudentränen, das kaum fassbare Gefühl, ein zweites Leben in sich zu tragen, blieben aus. Da war eher betretenes Schweigen, eine feste Umarmung von Niklas, die mir sagen sollte „Wir schaffen das. Hab keine Angst. Alles wird gut!“. Ich war froh, dass er da war und ich ihm meine Gedanken mitteilen konnte. Ich war froh, nicht allein zu sein.

Die Stunden nach dem Test waren komisch, fast wie in einer Blase, in der keine Gefühle zugelassen waren. Irgendwie fühlte ich mich leer, weil ich nicht diesem puren Mutterglück ausgesetzt war und gleichzeitig … gleichzeitig versuchte ich mich zu freuen. Aber es klappte nicht, jedenfalls nicht so richtig. Ich glaube, wenn ich ehrlich bin, verbot ich mir eher, mich zu freuen. Oder konnte ich es vielleicht einfach nicht? Zu groß war die Angst, dass wieder etwas schief gehen würde. Dass wir auch dieses Baby verlieren würden. Ich wollte nicht wieder so tief verletzlich sein, mich nicht wieder dieser Achterbahn an Gefühlen aussetzen. Fortan war ich damit beschäftigt, in mich hinein zu hören. Kleinste Anzeichen wahrzunehmen. Bei Bauchschmerzen wurde mir direkt mulmig, bei jedem Gang zur Toilette hielt ich kurz die Luft an, bis ich sah, dass ich glücklicherweise keine Blutung hatte. Dabei hätte ich eine erneute Fehlgeburt sowieso nicht verhindern können, ganz gleich, wie früh ich sie erkannt hätte. Aber so ist das nunmal. Man denkt plötzlich anders darüber, weiß, dass es nicht immer nur die Anderen sind, denen so etwas passiert. Dass es auch die eigene Familie treffen kann. Man weiß wie es sich anfühlt, sein Kind zu verlieren. Und man will das nicht nochmal. Ich will das nicht nochmal.

Mit den Tagen die nach dem positiven Test verstrichen, wurde mein Gemütszustand besser. Die Angst verging und wich eher eine Art Sorge. Kein irrationales Gefühl mehr, aber ein negatives, welches ich nicht zu verhindern wusste. Ich hatte eine Mauer errichtet. Einen Selbstschutz. Aber langsam, ganz langsam begann er zu bröckeln. Mit jedem Tag, an dem die Morgenübelkeit schlimmer wurde, bekam ich ein kleines Bisschen mehr Zuversicht. Noch immer war ich sehr verhalten, war vorsichtig mit meinem Bemerkungen Freunden gegenüber. Wenn sie mich beglückwünschten, stoppte ich sie direkt und sagte, dass ich mich lieber nicht zu früh freuen wollte. Bis zu dem Tag, an dem mir eine Freundin klar machte, dass ich mich freuen MUSSTE. Dass das Baby jetzt schon spürt, ob es seiner Mama gut geht. Und dass es die Endorphinausschüttungen braucht. Diese Freundin hat mir sehr geholfen, einen großen Teil meiner Ängste hinter mir zu lassen und mich auf die kommenden Wochen zu freuen. Ich versuche nun also, meine Sorgen bei Seite zu schieben und den Moment zu genießen (abgesehen von der Übelkeit). Ich streichle meinen Bauch und sage „Schön, dass du da bist!“.

 

Alles Liebe,
eure Jasmin