Aber näher am Glück als in diesem Moment kann ich augenblicklich nicht sein. (Suzanne Collins)

Fotos sind meine Leidenschaft. Sie faszinieren mich und machen kostbare Momente haltbar. Viele Momente unseres Lebens wären ohne sie nicht mehr abrufbar, verblassten mit der Zeit bis sie irgendwann nur noch vage Schatten sind, irgendwo am Firmament unseres Erinnerungsvermögens. Ja, Fotos halten Emotionen fest, Stimmungen, Momente und füllen ganze Alben und Wände.

Die Geburt deines Kindes wird einer der schönsten Tage deines Lebens sein. Natürlich willst du den Moment in irgendeiner Weise festhalten, ihn konservieren. Geburtsfotografie ist eine Möglichkeit, Erinnerungen an die Geburt des Kindes zu haben. Die einen finden solche Fotos ästhetisch, andere abstoßend. Ja, das Thema polarisiert. Aber warum eigentlich? Die Fotos sind in jedem Fall eins: ehrlich. Weil die Fotos Frauen zeigen, wenn sie am stärksten und gleichzeitig verletzbarsten sind.

Esther Mauersberger, 29, Geburtsfotografin aus Köln

Ich habe Esther Mauersberger, eine Fotografin aus Köln die Geburten begleitet, gefragt, was sie an diesem Beruf reizt und was er ihr bedeutet. Esther ist 29 und fotografiert alles rund um die Geburt, Schwangerschaft und das Wochenbett. Liebe Esther, vielen Dank, dass du deine Gedanken zur Geburtsfotografie mit uns teilst.

Liebe Esther, wie bist du zur Geburtsfotografie gekommen und wie lange lebst du diese Passion schon?
Mich faszinierten Babys, Geburt und Schwangerschaft schon als Kind, lange dachte ich, dass ich Hebamme werden muss um dieser Leidenschaft nachgehen zu können.
Nach meiner ersten Geburt, die für mich ein sehr kraftvolles Erlebnis war, brannte ich endgültig für das Thema. Die Ästhetik des Gebärens, die rohe Kraft die in dem Moment von uns Frauen ausgeht, die wurde gesellschaftlich doch total vernachlässigt! Dass eine Geburt auch Ressource sein kann, das wollte ich zeigen mit meinen Bildern. Gebären als weiblichen Schöpfungsakt.
Um ehrlich zu sein, lag ich abends im Bett, und dachte „Geburtsfotografie…. Probier das doch einfach selbst aus“. Ich habe mir eine Kamera gekauft, Objektive, und mir Familie gesucht, bei denen ich mich ausprobieren durfte. Das war im Oktober 2012.
Dass ich heute diese Leidenschaft mit meiner Kreativität verbinden kann, ist wirklich mein Traumjob.

Weiblichkeit und Mutterschaft – Esther fotografiert auch gerne Schwangerschaften

Babybauchshooting

Ganz schön mutig von dir, sich so ins kalte Wasser zu begeben. Warum sollte man als Familie überhaupt eine professionelle Fotografin für eine Geburt buchen? Kann die Fotos nicht einfach der Partner schießen, wo doch jeder eigentlich ein Smartphone besitzt?
Oh ja! Den emotionalen Wert eines Handygeburtsfotos möchte ich auf keinen Fall absprechen. Ich hänge an unseren sehr! Und sie wecken Erinnerungen auf genau dieselbe Art.
Wer mich als Fotografen bucht, lädt eben auch eine andere Sichtweise ein, ich bringe ja sehr viel mit von mir, ich habe meine Leidenschaft, ich habe meine ganz individuelle Art etwas zu sehen, und dies dann in ein Bild zu verwandeln, das ist die Kunst der Fotografie. Ich arbeite Details heraus, die ich prägnant finde, die ich den Familien zeigen möchte.
(und natürlich sind auf meinen Fotos die Partner mit drauf 😉 )

Esther fängt die ersten Momente als Familie nach der Geburt ein.

Dein Blickwinkel auf eine Geburt ist sicherlich oft ganz anders als der der Gebärenden. Welche Vorurteile gibt es gegenüber deiner Arbeit? Wie begegnest du diesen?
Das Vorurteil bei der Geburtsfotografie ist natürlich, die ewige Frage des Bildausschnitts. Aber nein, ich mache keine Bilder für das nächste Fachbuch der Geburtsmedizin, ich mache künstlerische Bilder, die die Stimmung dieses Tages wiedergeben. Wie genau die aussehen, entscheidet man da gemeinsam, manche lieben die Bilder der austretenden Babys, andere brauchen das nicht.
Bedenken haben sicher alle Beteiligten, das fängt schon bei meinen eigenen Person an, ich möchte diesen störanfälligen sensiblen Prozess einer Geburt nicht durch meine Anwesenheit gefährden. Dennoch bin ich ja eine Fremde, die in einer sehr intimen Phase des Lebens Fotos schießt. Das ist mir sehr wichtig, dass man mich dann doch als selbstverständlichen Teil seiner Geburt erlebt.
Die Mütter freuen sich immer sehr auf die Fotos, da sind die Bedenken am geringsten, „jede“ Mutter weiß ja was für ein wunderbares Gefühl war, als man sein kleines neues Baby das erste Mal so nackt, und nass und warm auf der eigenen Haut gespürt hat. Davon nun auch noch Fotos zu haben ist absolut magisch! Die Väter haben auch immer viel Angst, dass es zu voll wird, dass die Bilder etwas zeigen, was man vielleicht gar nicht sehen möchte, dass ihre Frauen entblößt werden, das sind so die Themen.
Vorurteile gibt es auch von Seiten der Geburtshelfer, da ist die Angst, dass die Frauen durch meine Anwesenheit blockiert sind, dass sie nicht loslassen können.
Und wenn die Vorurteile überwunden sind, fotografierst du die spannende Geburtsreise und die ersten Momente als Familie. Erzähl doch mal, wie läuft ein Arbeitstag im Einsatz bei dir ab? Hast du überhaupt einen festen Ablauf oder kann man das sowieso nicht planen?
Im Monat nehme ich eine, maximal zwei Geburten an, wenn wir da in die heiße Phase des Geburtszeitraums kommen, geht es einfach ganz viel um familiäre Absprachen. Mein Mann ist genauso rufbereit wie ich.
Ich versuche mit den Eltern engen Kontakt zu halten, um ein Gefühl für die Stimmung und den Geburtsbeginn zu bekommen. Ich arbeite dann ja doch oft nachts, wenn meine Familie schläft.
Ich möchte gerne erst in der späten Eröffnungsphase eintreffen, wenn die Geburt schon eine gewisse Eigendynamik entwickelt hat, so dass die Frauen im Idealfall schon einen Rhythmus haben, in dem sie nicht mehr so einfach gestört werden können.
Nach der Geburt warte ich meist noch die U1 ab, weil ich das einfach schön finde, das Wiegen und Messen noch festzuhalten. Aber dann versuche ich auch schnell zu verschwinden und der Familie ihren eigenen kleinen Rahmen zu lassen.

Die Plazenta ist noch fest mit dem frisch geborenen Baby verbunden.

Wie lange dauert ein Einsatz in der Regel?
Das ist ganz unterschiedlich, manchmal komme ich 10 min vor dem Baby, manchmal dauert es auch noch 12 Stunden, oder aber ich komm‘ zu spät, das ist alles schon vorgekommen.
Oh, also hast du tatsächlich sogar schon mal eine Geburt verpasst?
Ja, das ist schon vorgekommen. Das ist auch unabhängig von der Anfahrt, manche Babys haben es einfach sehr, sehr eilig, da habe ich keine Chance. Wenn ich dann aber ankomme erwartet mich ja trotzdem der Geburts-Tag. Vielleicht ist die Plazenta noch nicht geboren, Mama und Baby sind noch im Geburtspool, oder das erste Stillen steht noch bevor. Auch diese Bilder sind kostbar. Jedes Kind hat seine eigene Geburtsgeschichte.

Das ist eines meiner Lieblingsbilder von Esther. Wahnsinn, oder?

 Muss man etwas beachten, wenn man als Eltern plant, die Geburt festhalten zu lassen?
Ich denke man sollte sich als Eltern einfach gut vorstellen können, dass ich bei der Geburt dabei sein werde, das Gefühl muss stimmen. Wann man mich anrufen sollte, ist eine ganz individuelle Frage, ich erwähnte ja schon die späte Eröffnungsphase. Ich lade die Familien da immer ein, sich auf ihr Gefühl zu verlassen, und natürlich meine Anfahrtszeit im Blick zu behalten. Die Eltern haben oft auch Angst vor einem „Fehlalarm“, ach, den gibt es doch nicht, Wehen sind Wehen, und wenn absehbar ist, dass das Baby heute nicht mehr geboren wird, dann fahr‘ ich einfach wieder nachhause. Auch hier gilt, jede Geburt ist einzigartig, und jedes Kind hat seine eigene Geschichte.
Fotografierst du auch im Kreißsaal, vielleicht sogar im OP?
Natürlich, bei geplanten Klinik-Geburten, aber auch nach verlegten Hausgeburten. Bisher endete keine meiner fotografierten Geburten im OP. Ich hab bisher also nur in Wohnzimmern, Schlafzimmern, Badezimmern, Küchen, Autos (!!) und Kreißsälen fotografiert.
Jede Geburt hat bestimmt ihre eigenen magischen Momente. Welche Foto-Motive gehören für dich zu deinen Liebsten? Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Die Kraft einer Wehenden gehört für mich auf ein Foto. Die Hingabe einer Frau, sich diesem fremden Prozess zu überlassen, denn jede Geburt ist anders, das erfordert sehr viel Mut, das zeige ich gerne.
Wenn das Baby das erste Mal die Augen öffnet, und sich neugierig umschaut, das ist auch ein ganz großer Augenblick. Ansonsten lässt sich aber auch nicht viel planen, mal hab ich das eine Motiv, mal das andere, dafür sind Geburten zu wenig planbar.
Hallo, Welt. Ich bin da!
Hand aufs Herz: Schwarz-weiß, Farbe oder eine Mischung?
Schwarz-weiß finde ich schnell anonym, ich steh eigentlich auf Farben, ja. Und ich finde auch Geburten haben tolle Farben im Angebot. Aber selbstverständlich kann auch mal ein schwarzweißes Bild für mich mehr Ausdruckskraft haben.
Möchtest du dein emotionalstes Erlebnis mit uns teilen?
Oh, noch vor einer Woche hätte ich diese Frage anders beantwortet. Jede Geburt hält Gänsehaut-Momente bereit, auch für mich.
Letzten Monat war es während der U1, da fing die Mama an zu weinen, und ihr Mann fragte sie was los sei. Und sie antwortete „Ich bin einfach so stolz, dass geschafft zu haben“. Da kamen mir auch die Tränen. Ja! Das hast du geschafft, sowas tolles. Wenn nach einer sehr langen Geburt und ganz viel Verzweiflung das Baby endlich geboren wird, dann rührt mich diese Erleichterung auch zu Tränen.
Letzte Woche ist nach einer unkomplizierten Geburt ein krankes Baby geboren, das sind dann ganz andere Emotionen. Da empfinde ich dann auch eine große Trauer und viel Mitgefühl für die Eltern, und das Baby habe ich ganz fest in mein Herz geschlossen (es geht ihm schon viel besser).
Ich nehme Teil an einem der emotionalsten Ereignisse einer Familie, ich verschließe mich diesen Gefühlen nicht, ich fühle jedes Mal mit, und mein Herz geht jedes Mal ganz weit auf.

Ihr findet weitere Informationen zu Esthers Arbeit und noch mehr tolle Bilder auf ihrer Homepage (hier). Außerdem teilt sie Glücks- (und seltene Trauermomente) mit euch bei Facebook und Instagram. Ich persönlich finde ihre Bilder sehr bewegend. Wenn ihr noch jemanden sucht, der eure Geburt begleitet, oder vielleicht noch ein wenig darüber nachdenken wollt, schreibt ihr gerne eine Nachricht, sie wird sich sicherlich Zeit nehmen, eure Fragen zu beantworten.

Ich finde die Bilder einer Geburt faszinierend. Sie sind auf ihre ganz besondere Weise schockierend ehrlich – voller Emotionen, bewegend. Als Mama bin ich selbst schon ein Mal diese Reise gegangen und wünschte, ich hätte Erinnerungen in Form von Fotos an die vielen Stunden bevor Samuel das Licht der Welt erblickte und uns zu Eltern machte. So habe ich lediglich ein paar blasse Erinnerungen und trage diese ganz tief in meinem Herzen.

Alles Liebe,
eure Jasmin

Alle Bilder wurden mir von Esther Mauersberger Photografie zur Verfügung gestellt. Danke dafür, liebe Esther!