Da läuft er davon, den kleinen Rucksack auf dem Rücken, in dem ich noch vor wenigen Stunden gewissenhaft ein Mal Wechselkleidung, Windeln und den süßen Schlafanzug mit den Pilzen drauf verstaut habe. Ich stehe an den Türrahmen gelehnt und überlege fieberhaft, ob ich auch nichts vergessen habe. Windeln? Hab ich eingepackt. Einen Schnuller? Ah, den hat er im Mund. Ein Kuscheltier? Alles dabei. Sogar an eine Mütze, einen Schal und die warme Jacke haben wir gedacht – nur für den Fall, dass es besonders kalt werden sollte. Am liebsten will ich hinterher gehen, noch mal kurz in die süßen braunen Knopfaugen und sehen und meinem Sohn sagen, dass ich ihn lieb habe. Ihn noch mal drücken. Dabei weiß ich, dass nur ich diejenige bin, die hieraus gerade eine große Sachen macht. Die nicht loslassen kann. Helikoptermama? Ich weiß nicht. Mein Sohn ist jetzt knapp zweieinhalb Jahre alt und schläft das erste Mal ohne uns bei den Großeltern. Für manche mag das spät sein, für andere vielleicht früh. Für uns ist es eigentlich heute genau richtig. Wir, Niklas und ich, sind beide richtig müde. Unsere Tage sind nicht mehr entspannt, weil wir gestresst sind und schnell falsch reagieren. Wir beide wissen: wir müssen endlich Kraft tanken, uns eine Auszeit nehmen und auch etwas für uns tun. Für uns als Eltern – aber auch als Liebespaar. Lange ist es her, dass wir das letzte Mal einen Abend nur für uns hatten – zweieinhalb Jahre sind eine lange Zeit in Sachen Liebe.

So stehe ich also da, im Türrahmen und der kleine grüne Rucksack hüpft auf und ab und wird dabei immer kleiner. Und auch wenn ich weiß, dass es ein schöner Abend wird, auch wenn ich weiß, wie wichtig der Abend für uns ist und selbst wenn ich daran denke, wie lange ich mich hierauf gefreut habe, bin ich doch ein bisschen wehmütig. Dieser Schritt bedeutet für mich sehr viel. Es ist nicht einfach nur eine Übernachtung bei den Großeltern, nein. Mein kleiner Junge wird langsam flügge, das merke ich jetzt. Er streckt seine Fühler aus nach neuen Abenteuern. Und dabei hüpft sein kleiner grüner Rucksack freudig auf und ab.

Der kleine hüpfende Rucksack

Dem Bauchgefühl widerstehe ich übrigens nicht, ich bin eben manchmal doch Glucke durch und durch, sondern ich laufe natürlich noch zum Auto, drücke meinem Mini einen Schmatz auf die Wange und wünsche ihm viel Spaß. Die Autotür schließt sich und winke fröhlich hinterher. Ja, wirklich fröhlich, weil ich weiß, wie viel Kraft ich in den nächsten 24 Stunden tanken werde.

Wieder in der Wohnung ist es ungewohnt still – natürlich, es rennt jetzt ja auch kein Wirbelwind mehr hier rum und stellt alles auf den Kopf. Aber diese Situation kennen wir ja schon, denn ein paar Stunden ohne Samuel waren wir schön öfter. Wir ziehen uns etwas hübsches an, Mio ist heute noch friedlicher als sonst und dann machen wir uns alle drei auf den Weg in ein Restaurant. Erst jetzt beschleicht mich ein komisches Gefühl, mittlerweile ist es 20 Uhr und ich frage mich, ob Samuel wohl schon schläft. Ob er in seinem Reisebettchen liegt? Oder vielleicht doch an Opa gekuschelt im großen Bett? Ich schaue auf mein Handy – na immerhin kein Anruf. Ob ich wohl kurz nachfragen soll, ob alles gut ist? Niklas piekt mich in die Seite und nennt mich (mal wieder) Helikoptermama. Ich schiebe also mein Handy zurück in die Jackentasche, ziehe die Schultern hoch und laufe mit Niklas an der Hand durch den Regen ins Restaurant. Wir habe einen schönen Abend, unterhalten uns über alles mögliche, aber komischerweise nicht über die Kinder. Da hatte sich wohl sehr viel Gesprächsbedarf angesammelt. Mio liegt die meiste Zeit über glücklich in seinem Wagen und möchte nur ein Mal kurz gestillt werden und sich umschauen. Als wir irgendwann zu Hause sind – es ist nach 23 Uhr – sinke ich tief in mein weiches Kissen und hoffe auf eine ruhige Nacht.

Guten Morgen, liebe Sorgen

Tatsächlich werde ich aber drei Mal vom Baby geweckt. Aber die Bilanz ist trotzdem gar nicht so schlecht, normalerweise kommen zur Zeit immer noch Samuels nächtliche Wachphasen on top. Ich bin also doch relativ ausgeschlafen, als ich um kurz vor acht von einem zahnlosen Grinsen und Spuckebläschen geweckt werde. Neben mir mein Mann und sonst? Gähnende Leere. Es ist ein komisches Gefühl, morgens aufzuwachen und keinen Windelpupspopo im Gesicht zu haben. Ich vermisse meinen Sohn. Es ist viel zu still, viel zu leise, viel zu komisch ohne Samuel. Niklas und ich sehen uns an, in seinen Augen sehe ich Zustimmung. Ob Samuel wohl nach dem Aufwachen auch an uns gedacht hat? Hat er nach uns gefragt? Vermisst er uns? Aber da ich keinen Anruf auf dem Handy habe, besteht auch kein Grund zur Sorge. Ich kuschle mich an Niklas und schiebe diese Fragen bei Seite. Jetzt genieße ich erstmal den Moment. Ungestört kuscheln gibt es nämlich auch viel zu selten im Hause Nimmerland.

Irgendwann stehe ich auf, lasse mir ein heißes Bad ein, während Niklas zum Bäcker geht. Sonst mache das ich mit Samuel, unser sonntagliches Ritual, nur wir beide. Es ist aber kein gewöhnlicher Sonntag und außerdem schon elf Uhr. Fast wieder wie in guten alten Zeiten ohne die Kinder. Wieder einmal bin ich dankbar dafür, dass Mio so pflegeleicht ist und zufrieden in den Tag startet. Mit Niklas esse ich Croissant und Brötchen vor dem Fernseher. Wir haben uns einen Film eingeschaltet, kuscheln, genießen die Ruhe. Als wir Hunger bekommen, machen wir uns auf den Weg. Wir wollen zum Thailänder und uns ein zweites Mal an diesem Wochenende eine Auszeit gönnen. Mit Panaeng Curry und Massaman Curry fühlen wir uns nach Koh Phangan vor einem Jahr zurückversetzt. Wir reden viel über diese Reise, sehnen uns nach der Ferne, planen einen baldigen Besuch in Südostasien. Ob es klapp? Ich weiß es nicht. Wir träumen viel und essen noch mehr, lachen, streiten und vertragen uns wieder.

Und dann ist das Wochenende um und wir empfangen unseren kleinen Schatz, der uns schon am Tor erblickt und freudestrahlend in unsere Arme läuft. Er lacht, freut sich und sieht richtig glücklich aus. Da fällt mir ein Stein vom Herzen, denn jetzt weiß ich, jetzt sehe ich, dass er eine schöne Zeit hatte. Oh und wie ich ihn knuddeln will, den kleinen Schatz! So vermisst habe ich ihn. Aber er entreißt sich mir, läuft in die Wohnung und knuddelt seinen kleinen Bruder. Ja, den scheint er richtig arg vermisst zu haben. Und dann hüpft und springt und quasselt er, bis er müde auf der Couch sitzt. Da setze ich mich neben ihn, nehme ihn in meine Arme und atme den süßen Babyduft ein, den er immer noch an sich hat. Und als wir später aneinander gekuschelt im Bett liegen, Samuel meine Wange streichelt und sich in den Schlaf schnullert, ist alles genau so, wie die letzten zweieinhalb Jahre. Naja, fast. Mein Akku ist voll und bereit für die nächsten aufregenden Monate! Und morgen? Da werde ich sicherlich wieder von einem Windelpupspopo im Gesicht geweckt.

Alles Liebe,
eure Jasmin