Da ist es nun, das Ende einer innigen Beziehung. Ich stille nicht mehr. Diese Zeilen machen mich unendlich traurig und wehmütig. Seit nun ungefähr zweieinhalb Monaten war es ein eher schleichender Prozess. Und jetzt ist das letzte Mal stillen bereits einige Tage her. Langzeitstillen, Tandemstillen – gibt es jetzt nicht mehr.

Nach einem halben Jahr wird abgestillt!

Aber von vorn. Im Januar schrieb ich meine Gedanken zum Thema abstillen nieder (hier könnt ihr mehr lesen). Ich wusste, dass unsere innige Stillzeit bald vorüber sein würde und das machte mich traurig. So gerne hätte ich meinen Jungen wenigstens bis zum zweiten Geburtstag gestillt. Früher, da konnte ich mir nie vorstellen, überhaupt länger als ein halbes Jahr zu stillen. Allein der Uni wegen, ich wollte ja Seminare besuchen und stellte mir beides zusammen schwierig vor, wenn ich das Kind nicht mehr mitnahm. Ja, und ich hatte die typischen Vorurteile. „Das Kind wird verwöhnt. Warum stillen, wenn das Kind am Tisch mit isst? Wer lange stillt, kann sein Kind nicht loslassen. Das sieht komisch aus, ein Kind zu stillen, das laufen kann!“ Aber dann wurde ich Mama und lernte diesen für mich wunderbaren Zauber des Stillens kennen. Ich weiß, manche Mamas empfinden stillen nur als schmerzhaft, Pflicht oder vielleicht auch lästig. Aber für mich war es einfach nur schön (die meiste Zeit jedenfalls).

Stillen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme.

Gerade zu Beginn, als unser Samuel noch ganz kein war, war das Stillen ein Moment, der nur uns beiden gehörte. Ich genoss das sehr, liebte die Nähe und die kleinen Hände an meiner Brust. Oft nahm ich eine Stillmahlzeit als Ausrede wenn Besuch da war, um mich zurückzuziehen und uns einen Moment der Ruhe zu gönnen. Dann merkte ich, wie wir beide, Samuel und ich, innerlich aufatmeten und diese Zweisamkeit genossen. Jeder auf seine Art.
Ich war froh darüber, keine Probleme mit dem Anlegen zu haben und schnell routiniert. Schnell genoss ich die praktischen Seiten des Stillens, ich konnte meinen Baby immer genau das geben, was es brauchte. Die Brust regelte ja alles für mich, ich musste keine nervigen Fläschchen mitschleppen und abkochen. Stattdessen gab es immer frische Milch, nach Bedarf ohne feste Tageszeiten, dafür völlig auf mein Baby abgestimmt. Wohltemperiert,  kostengünstig und immer dabei. Darüber hinaus Samuel trank von Anfang an, als hätte er nie etwas anderes getan.
Wir waren einfach ein gutes Team, mein Baby und ich. Und je näher wir uns der sechs-Monats-Grenze näherten, umso unwohler fühlte ich mich mit dem Gedanken des Abstillens. Ich wollte das nicht und merkte, wie sehr mein Baby die Muttermilch noch brauchte. Selbst als Samuel mit 8 Monaten langsam mit der Beikost startete, trank er noch lange regelmäßig seine vollen Mahlzeiten an der Brust und in mir wuchs die Gewissheit, dass ich meinem Baby Zeit geben wollte, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen.
Während unserer Asienreise, war ich froh, ihm ein Stück Vertrautheit aus Deutschland bieten zu können. Zwischen all der Aufregung, all den neuen Eindrücken und fremden Gerüchen war die Muttermilch sein Zuhause, sein Altbekanntes. Ich merkte schnell, dass es ihm gut tat, dass ich ihn während dieser Reise wieder mehr stillte. So waren wir beide zufriedener. Irgendwann wurde aus krabbeln laufen und ich dachte immer noch nicht daran, unsere besondere Beziehung zu beenden. An Tagen, die laut und anstrengend waren, kam Samuel, um sich zurückzuziehen und wieder einen Gang runter zu schalten. Er beruhigte sich durch die Muttermilch, wenn er hingefallen war oder sich erschrocken hatte. Ja, stillen war längst mehr als nur Nahrungsaufnahme. Die Brust war sein Ruhepol, seine Wohlfühloase.

Tandemstillen.

Wieder in Deutschland veränderte sich unsere Stillbeziehung sehr. Samuel brauchte die Brust wieder öfter und nicht selten war ich total genervt, nicht mal ein paar Stunden nur für mich sein zu dürfen. An manchen Tagen stillte ich Samuel bis zu über zehn Mal – in Verbindung mit der durch die Schwangerschaft bedingten Übelkeit war das für mich sehr hart. Häufig war ich müde, abgeschlagen und merkte, wie meine Kraftreserven, die ich im Urlaub aufgetankt hatte bereits zur Neige gingen. Niklas war der Meinung, dass ich abstillen müsse. Er sah, dass ich die Kraft für unser ungeborenes Baby brauchen würde und immer weiter an Gewicht verlor. Aber ich wollte das nicht. Ich wollte Samuel geben, was er brauchte, solange er es brauchte. Jedenfalls solange er es so wehement einforderte. Also biss ich die Zähne zusammen und versuchte durch regelmäßige Mahlzeiten zu Kräften zu kommen. Trotzdem, ich war oft verzweifelt, wütend und gefrustet, weil mich die Situation so sehr belastete. Tja, meine Sturheit siegte über den Frust und ich gab Samuel weiterhin die Brust, oft unter Tränen. Teilweise schmerzte das Stillen wieder sehr, da meine Brustwarzen durch die Schwangerschaft sehr gereizt waren und auch die Milch wurde langsam aber merklich weniger. Samuel trank trotzdem weiter, oft nur ein paar Schlucke und dafür fast stündlich. Irgendwann war der Spuk vorbei und Samuel reduzierte die Stillmahlzeiten wieder. Ich war froh. Ja, so stellte ich mir das vor.
Innerlich hegte ich nämlich längst einen Gedanken, den ich kaum jemandem gegenüber äußerte. Zu oft war ich auf Kritik gestoßen. Unser Baby sollte im Juni kommen und ich würde gerne beide Kinder gleichzeitig stillen, im Tandem. Da zu dem Zeitpunkt noch nicht absehbar war, dass Samuel sich bis zum Sommer abgestillt haben würde (ja, er war bis dahin wirklich ein ausgesprochener Milchjunkie), festigte sich dieser Gedanke Tandemstillen immer mehr und wurde schließlich zu einem Wunsch. Da habe ich den Plan jedoch ohne unseren Samuel gemacht, ich dumme dumme Mama.

Das letzte Mal.

Als mir bewusst wurde, dass Samuel im Begriff war sich abzustillen, genoss ich jede Stillmahlzeit auf eine ganz besondere Art. Es machte mich traurig, vielleicht doch nicht Tandemstillen zu können und es machte mich traurig, dass mein Kind sich aus unserer engen Beziehung lösen wollte, ohne dass ich dafür bereit war. Es ist verrückt, ich habe ganz bewusst versucht, jede Mahlzeit bewusst wahrzunehmen, um mir das letzte Mal dann ganz besonders in Erinnerung zu behalten. Aber die Wahrheit ist: ich habe keine Ahnung. Ich kann nicht sagen, wann genau das letzte Mal Samuel sich gestillt hat. Ich habe nicht, wie in meiner Vorstellung, eingekuschelt im Bett gelegen, Samuel ganz dicht an meinem Babybauch, während mir eine Träne über die Wange kullerte, nein. Die Wahrheit ist, ich weiß nicht, wann das letzte Mal war, wie das letzte Mal war. Und das tut weh. Es fühlt sich an, als wäre einfach ein Seil durchschnitten worden, das uns all die vergangenen Monate verband.

Samuel trank in den letzten zwei Monaten sehr unregelmäßig. Es gab Tage, da stillte ich ihn wieder tagsüber ein Mal. Tage, an welchen ich ihn gar nicht stillte. Und Tage, da war das Erste was er morgens tat, ein paar Schlucke Milch zu trinken. Nun, wenn ich ihn frage, ob er eine warme Milch (so nennen wir die Muttermilch) möchte, schüttelt er den Kopf und sagt ganz klar „nein! Baby!“. Es ist so verrückt, wie kann er denn verstehen, dass sein Geschwisterchen die Mich bald brauchen wird?! Ich weiß es nicht, aber die Brust hat er seitdem nie wieder angerührt. Durch den langsamen Abstillprozess hatte ich auch keinerlei Probleme mit der Milchmenge. Sie wurde ganz automatisch weniger, weil Samuel kaum noch große Mengen trank. Ich vermute, dass die Muttermilch plötzlich anders schmeckte, sich vielleicht schon langsam das Colostrum bildet oder er sie vielleicht einfach nicht mehr brauchte. Pfefferminz- und Salbeitees blieben mir also erspart und ich musste auch nicht ausstreichen.

Veränderungen?

Verändert hat sich durch das Abstillen nicht viel. Samuel ist immer noch genauso Mama-bezogen, wie vorher. Er liebt seinen Papa aber mindestens genauso doll und meistens ist es ihm egal, wer ihn tröstet. Papi gibt ihm einfach seinen Schnulli oder lenkt ihn ab und ich tue nun das gleiche, eben ohne die Brust. Zum Einschlafen trank Samuel schon längst keine Milch mehr, daher hat sich auch diesbezüglich nichts geändert. Er gibt Mami einen Kuss und legt sich dann schlafen, entweder neben mich oder neben Niklas, in unser Bett. Wir kuscheln und er schläft meist friedlich neben uns ein.
Nur eins ist irgendwie anders. Intensiver. Die Küsse und Umarmungen, die Samuel mir gibt sind häufiger. Er schaut mich oft ganz liebevoll an und streichelt dann sanft meine Wange, ganz als wolle er sagen „Mami, ich hab‘ dich trotzdem noch genauso lieb.“ – und das, ja das tröstet mich sehr.

Alles Liebe,
eure Jasmin

Mit dem Text nehme ich an der Blogparade von Lächeln und Winken teil. Wenn ihr weitere Beiträge zum Thema „Abstillen“ sucht, schaut mal bei den beiden vorbei, dann findet ihr noch mehr Beiträge von anderen Mamas.