Da lag ich nun, glückselig mein Kind geboren zu haben. Über mir flimmerte das Krankenhauslicht und zum Fenster schien die Morgensonne herein. Auf mir lag das kleine rosa Bündel, warm und weich. Nur in ein Handtuch gewickelt. Mein Sohn. Mein Erstgeborener. Mein Mann und ich sahen uns an, glücklich und erschöpft. Wir lagen im Nebenzimmer des Kreißsaals wo wir ganz für uns sein konnten bis es aufs Zimmer ging. Und hier versuchte ich, mein Baby zum ersten Mal anzulegen. Der große Moment sollte jetzt kommen. Der Moment, vor dem viele Mütter irgendwie Respekt haben. Das erste Mal stillen. Ich lehnte mich gemütlich zurück ins Kissen und hob das kleine Bündel etwas an, im Wiegegriff lag es da in meinem Arm. Barbusig saß ich da, voller Vorfreude und großen Erwartungen. Aber dann kam die Ernüchterung: Es klappte nicht. Er wollte nicht trinken. Als die Schwester kam, sagte sie mir, dass es nicht schlimm sei, Samuel hätte nur zu viel Fruchtwasser geschluckt und ich solle noch etwas warten.

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Aller Anfang ist schwer…

Ich testete ab da immer mal, ob mein Baby die Brust vielleicht haben wollte. Es musste doch Hunger haben, oder nicht? Aber stattdessen war es nur sichtlich erschöpft, spuckte immer wieder klebriges Fruchtwasser. Ungefähr 45 Minuten nach der Geburt versuchte ich es dann noch einmal. Diesmal trank unser kleiner Mann wie ein Weltmeister. Große kräftige Schlucke nahm er, saugte gierig die erste Milch. Ich war glücklich. Alles klappte wunderbar. Das Baby saugte und ich konnte ihm die kostbare Vormilch geben. Das so wichtige Kolostrum.

Aber noch am selben Tag verfluchte ich meinen Wunsch zu stillen. Ich hatte unfassbare Schmerzen bei jedem Anlegen. Jedes einzelne Mal schmerzte unglaublich. Und ich legte Samuel oft an. Spätestens alle 1.5 Stunden hatte mein neugeborenes Baby Hunger und wollte an die Brust. Ich weinte, biss mir vor Schmerz auf die Lippe und später sogar in ein Handtuch. Verdammt, wieso sagt einem eigentlich keiner, wie schmerzhaft stillen sein kann? Die Frau im Nebenbett in unserem Zimmer machte es sich leicht. Sie gab ihrem Kind die Flasche. (Sie erklärte mir, dass sie nicht stillen möchte, keine Lust auf die Schmerzen hat, nur um dafür das Rauchen aufzugeben.) Ich ignorierte es und hielt durch. Biss immer wieder die Zähne zusammen. Stunde für Stunde quälte ich mich durch die Schmerzen. Eine ganze Nacht hielt ich durch. Als Niklas am nächsten Morgen kam, wollte ich das Handtuch schmeißen. Ich wollte nicht mehr, die Schmerzen waren so schlimm. Unerträglich fast. Aber Niklas ermutigte mich, weiter zu machen. Er hielt meine Hand und sprach mir gut zu. Ich ging auch ein paar Mal zum Stillen ins Stillzimmer des Krankenhauses und ließ mir zeigen, wie ich mein Baby richtig an die Brust lege. Die Hebammen dort schienen sehr kompetent und bestärkten mich darin, durchzuhalten. So ein Stillzimmer sollte es in jeder Klinik geben. Es bietet den Mamas einen tollen Rückzugsort und man hat die nötige Ruhe, sich alles zeigen zu lassen.

Schon in der zweiten Nacht kündigte sich bei mir der Milcheinschuss an. Meine Brust schwoll an, wurde groß und  schwer. Wir waren mittlerweile zu Hause und mein Baby trank alle paar Minuten. Ich wurde dadurch zunehmend nervös und sehnte mir meine Hebamme herbei, die ich um Rat fragen wollte. Waren vorher viel größere Stillabstände normal, verhielt sich mein Baby nun ganz anders. Ich fragte mich, ob mein Baby denn vielleicht nicht satt wurde, weil es alle paar Minuten nach Milch schrie. Ich sorgte mich, brauchte jemanden, der mir die Angst nahm, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte. Meine Hebamme. Als sie kam, schaute sie mich nur ein Mal kurz an und wusste, was zu tun war.
Samuel konnte die Brust kaum in den Mund nehmen, so geschwollen war sie, so voller Milch. Ich war erleichtert, dass es an etwas so Banalem lag. Also stillten wir mit Stillhütchen und ich kühlte und kühlte und kühlte und… Nach zwei Tagen war der Spuk vorüber, meine Brust sichtlich entspannter und durch das Stillhütchen tat auch das Anlegen nicht mehr so weh.

Durchhalten lohn sich!

Ein paar weitere Tage später wurde Stillen richtig schön und mein Baby und ich immer mehr ein Team. Ich wusste, wann ich den kleinen Mann wie anlegen musste, um die Brust zu entleeren. Ich probierte verschiedene Positionen, stillte im Sitzen, im Liegen und irgendwann notfalls auch im Stehen (wenn es an der Tür klingelte beispielsweise). Wir bekamen Übung bei dem was wir da taten und das freute mich. Ich hatte wohl erstmal verstehen müssen, dass stillen nicht nur für mich, sondern auch für mein Kind eine völlig neue Erfahrung ist und dass auch mein Baby erst mal lernen musste, wie es richtig an der Brust trinkt. Ich wurde schnell so viel sicherer was unsere Beziehung anging, dass ich mir keine Sorgen mehr machte. Nur eins klappte nicht: die Regulation der Milchmenge.

Wenn die Milchmenge nicht stimmt.

In der Schwangerschaft hatte ich mir so viele Gedanken gemacht, habe mich teilweise verrückt machen lassen mit Aussagen wie „Also falls du stillen kannst…“, „Wenn du nicht genug Milch hast, dann…“. Aber auf das Problem, das dann wirklich auftrat, hat mich keiner vorbereitet. Niemand. Im Geburtsvorbereitungskurs, in der Klinik, nirgends war es Thema, nirgends wurde mein Problem angesprochen und so war ich völlig unvorbereitet. Bei mir hat sich die Milchmenge nämlich einfach nicht reguliert. Ich hatte zu viel Milch. Vielleicht werden einige Mamas mit den Schultern zucken und sich denken besser zu viel, als zu wenig, aber es war wirklich nervig. Frauke von Ekulele hat diese Situation in ihrem Beitrag sehr treffend beschrieben. Durchnässte Kleidung von Mama und Kind, ständiges Umziehen, Wäscheberge, Hektik, Verschlucken, Weinen, hastiges Trinken – für Stillromantik blieb da oft nicht viel Zeit. Ich trank Pfefferminztee und aß Salbeibonbons, beides soll eine abstillende Wirkung haben. Leider brachte das nicht sehr viel. Meine damalige Hebamme war auch keine sehr gute Beratung in diesem Punkt, auch wenn sie sonst sehr kompetent war. Heute weiß ich, dass man mit Blockstillen schon sehr viel mehr regeln kann und dass ich bei einer Stillberaterin an der richtigen Adresse gewesen wäre. Daher rate ich euch: wenn ihr ein ähnliches Problem habt, gebt euch nicht damit zufrieden wie es ist – sucht euch kompetente Hilfe. Das macht die Situation sehr viel entspannter.

Anpassungsschwierigkeiten.

Ich glaube, nach ungefähr drei Monaten hatte mein Körper sich langsam so weit reguliert, dass ich nicht mehr auslief und mein Kind bei jeder Mahlzeit in Milch duschte. Trotzdem, ohne Stilleinlagen konnte ich nie aus dem Haus gehen.
Und dann kam dieses eine Wochenende. Wir fuhren zu meinen Eltern nach Süddeutschland. Die erste größere Reise für unser damals fünf Monate altes Baby. Es war Weihnachten und wir freuten uns auf eine besinnliche Zeit mit der Familie. Aber es sollte alles anders kommen. Ich war kaum bei meinen Eltern angekommen, da ging das Drama los. Samuel weinte, wollte ständig an die Bust. Viel häufiger als zu Hause trank er nun – und ich ließ ihn. Schließlich stillte ich ihn nach Bedarf. Ich erklärte mir den plötzlichen Hunger meines Babys mit einem Wachstumsschub und versuchte ruhig zu bleiben. Aber die Abstände wurden innerhalb kürzester Zeit immer kürzer. Samuel wollte nicht mehr alle zwei Stunden gestillt werden, sondern alle dreißig Minuten. Alle zwanzig. So ging das mehrere Tage. Irgendwann waren wir bei einem Stillabstand von zehn Minuten und ich saß weinend auf der Couch. Ich bekam mein Baby nicht mehr satt! Ich war verzweifelt, hielt die ganze Nacht aber noch mit den kurzen Abständen durch und konsultierte am nächsten Morgen meine Hebamme. Die riet mir aber nur: füttere zu oder halte durch. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich hatte Angst, dass mein Kind nicht mehr an der Brust trinken würde, wenn ich nun einfach zufüttern würde. Ich hätte Hilfe von einer Stillberaterin gebraucht, aber es war in diesem Moment keine greifbar.

Ich entschied mich gegen das Zufüttern – aus Angst. Und hielt durch. Ungefähr eine Woche. Dann war der Spuk vorbei und die Milch floss. Mein Körper war wohl einfach zu langsam in der Anpassung der Milchmenge.
Heute weiß ich, wie ich ihn hätte unterstützen können. Beispielsweise hätte ich Boxhornkleekapseln einnehmen können, Malzbier trinken, noch mehr essen und trinken und vor allem hätte ich meinen Stresspegel runterschrauben sollen und mich einfach im Bett verkriechen. Manchmal benötigt der Körper das: Energiespeicher auffüllen. Damals wollte ich aber funktionieren und eine schöne Zeit mit der Familie haben. Nur, um welchen Preis?

Jetzt läuft es aber!

Das Gute war, dass mich nach dieser Erfahrung nichts mehr so schnell aus den Socken hauen konnte, wenn es ums Stillen ging. Ich wusste nun, dass mein Körper alles schaffen konnte, dass ich nur Vertrauen haben müsste. Und das machte mich stolz! Es lief fortan wie am Schnürchen, die Milch reichte aus und ich stillte Samuel lange lange noch nach diesem Vorfall im sechsten Lebensmonat.
In Thailand stillte ich ihn sogar zwischenzeitlich fast wieder voll, obwohl wir längst mit der Beikost angefangen hatten. Ihr seht, ich hatte schließlich keine Probleme mehr. Und ich freute mich, dass es so gut klappte.

Sanftes Abstillen.

Ich freute mich über meine Schwangerschaft, von der wir im Oktober 2016 in Bangkok erfuhren. So gern wollte ich beide Kinder gleichzeitig stillen. Aber mit Beginn meiner dritten Schwangerschaft veränderte sich Samuels Stillverhalten. Er suchte wieder vermehrt die Nähe durch das Stillen, wurde insgesamt anhänglicher und im Dezember 2016 waren wir wieder bei ca. 12 Mal stillen täglich angelangt (Samuel war da 1,5 Jahre alt). Ich wurde schier verrückt, hielt aber durch. Im Januar wurde es schlagartig besser und Samuel stillte plötzlich seltener. Die Abstände zwischen den Mahlzeiten wurden wieder größer und schließlich stillte ich ihn nur noch morgens. Es war unser Ritual, um in den Tag zu starten. Aber dieses Ritual sollte uns nicht lange erhalten bleiben, denn im Februar stillte sich Samuel bereits ganz ab. Unsere Stillgeschichte fand dann doch ganz plötzlich ihr Ende. Ob es mich traurig stimmte? Ja. Und wie. Ich war ganz bitterlich enttäuscht, dass ich die Erfahrung des Tandemstillens nun nicht machen konnte. Und es fehlte mir. Samuel war plötzlich viel selbstständiger, suchte nicht mehr so oft meine Nähe – zumindest tagsüber nicht. In diesem Artikel habe ich über meine Gefühle zum Thema abstillen geschrieben.

Nun bin ich sehr glücklich, dass ich ein zweites Mal ein Kind stillen darf. Mein Kind. Unseren Mio.

Alles Liebe,
eure Jasmin