Au Weia.

Puh. Gestern war ein anstrengender Tag. Wenn ich daran zurückdenke, bin ich direkt wieder fix und alle. Aber von vorn!
Es war herrliches Wetter und Samuel hatte beste Laune. Wir spielten den Morgen über in seinem Zimmer mit dem Krabbeltunnel und lasen Bücher, anschließend kuschelten wir uns gemeinsam ins Bett und hielten Mittagsschlaf. Alles war friedlich und harmonisch. Nach dem erholsamen Schläfchen machten wir uns direkt auf ins Kindercafé Halli Galli in Köln, um andere Mamas zu treffen. Samuel war voller Vorfreude auf die anderen Babys und seine Freunde. Er brabbelte fröhlich auf dem Weg ins Café und verputzte eine Laugenstange. Dort angekommen änderte sich Samuels Laune aber schlagartig.

Credit: Joëlle von Joelleantonia

Ich versuchte Samuel abzusetzen, um unsere Sachen ablegen zu können und schon ertönte die Sirene. Dicke Krokodilstränen flossen über seine Wangen. Gut, dachte ich. Mein kleiner Mann braucht noch ein bisschen, um anzukommen. Ich setzte mich also erstmal hin, nahm ihn auf den Schoß und ließ ihn die anderen Kinder beobachten. Da saß er dann auch ganz still, kuschelte sich an mich und suchte ganz viel Nähe. Ich dachte, dass er bestimmt bald aufstehen wird, um mitzuspielen.  Aber nichts änderte sich. Den ganzen Nachmittag über weinte er immer wieder bitterlich und wollte am liebsten nur auf meinem Arm sein. Manchmal zeigte er runter und wollte abgesetzt werden, aber kaum ließ ich ihn zu Boden, fing er wieder an zu weinen. Selbst als ich mich mit ihm zusammen auf den Boden setzte, änderte das nichts. Samuel wollte weiterhin einfach nur auf meinem Arm sein – irgendwann war das ganz schön anstrengend mit dem dicken Babybauch.

Mir fällt in solchen Situationen immer wieder besonders auf, dass Samuel sehr sensibel auf Geräusche reagiert. Schon als Baby hat er in der PEKiP-Gruppe oftmals bitterlich geweint, wenn eines der anderen Babys einen dieser süßen Freudenquietscher machte. Damals hatte ich den Eindruck, dass es an der hohen Frequenz liegt und er diese einfach nicht leiden kann, denn insgesamt reagierte er auf laute Geräusche eigentlich nicht so. Lautere Musik konnte und kann er hin und wieder gut vertragen (zum Beispiel an Karneval oder auf einer Party) – nur diese schrillen Töne waren ihm von Anfang an suspekt. Nun ist es aber so, dass er, so meine ich zu beobachten, generell ganz schwer auf größere Gruppen von anderen Kindern reagiert. Klar, dort ist es immer etwas lauter, turbulenter, aufregender – dass er da immer etwas Zeit benötigt und erstmal in der Nähe von Mama bleibt, ist verständlich. Aber meistens weint er wirklich das ganze Treffen über bitterlich, so als hätte er sich erschrocken oder ihm würde etwas weh tun. Es ist kein Knatschen, ich glaube andere Mamas wissen, wie sich ein herzzerreißendes Weinen anhört.

Nur auf dem Spielplatz und beim wöchentlichen Kinderturnen zeigt er gar nichts von seinen üblichen Reaktionen. Dort ist er unser fröhlicher kleiner Samuel, der andere Kinder liebt und mit ihnen gemeinsam um die Wette läuft.

Das ist sein Gemüt. Oder haben wir etwas falsch gemacht?

Ich kann mich noch gut an unsere erste Babyzeit erinnern, in der wir alle die Ruhe selbst waren. Wir ließen Samuel in seinem eigenen Tempo auf dieser Welt ankommen und schützten ihn vor lauten Umgebungen. Irgendwann gingen wir mit ihm nach draußen, immer mal ein bisschen länger und nach und nach an turbulentere Orte. Nirgends hat sich Samuel unwohl gefühlt, stetig war er in unserer Nähe. Wir waren sein sicherer Hafen, auf den er sich immer verlassen konnte. Samuel war charakterlich ein eher ruhiges Kind, das aber immer gerne in Gesellschaft anderer Gleichaltriger war – er liebt Kinder! Und auch heute freut er sich jedes Mal, wenn wir uns mit anderen Kindern treffen. Sein kleines Gesichtchen wird dann ganz freundlich und er begrüßt seine Freunde mit einem breiten Lachen – bis, ja bis dann kurz darauf der Gemütswandel stattfindet und er weint, immer nur bei größeren Gruppen.

Ich frage mich dann, ob wir etwas verändert haben an der Art und Weise mit ihm in solchen Situationen zu interagieren. Oder ob es einfach sein Charakter ist und er vielleicht momentan einfach noch mehr Nähe benötigt als bislang. Oft merke ich an Samuels Verhalten, dass er eigentlich gerne mit den anderen Kindern spielen würde. Er zeigt dann auf die Rutsche, das Bällebad oder die Kinder und wenn ich ihn frage, ob er mitspielen möchte nickt er und sagt freudestrahlend ja! Aber sobald wir in die Nähe der Kinder kommen, dreht er sich zu mir und vergräbt sein dann Tränen überströmtes Gesicht an meiner Schulter, möchte nicht mehr losgelassen werden.

Sozialisation von Kleinkindern.

Als Eltern sind wir für die primäre Sozialisation unserer Kinder verantwortlich. Wir helfen ihnen, Beziehungen zu anderen Menschen als den Eltern aufzubauen und zeigen ihnen, wie Zwischenmenschlichkeit funktioniert, indem wir ihnen unsere Werte diesbezüglich vorleben. Mit der Geburt lernt ein Baby, Menschen in seinem Umfeld wahrzunehmen und auf sie zu reagieren. Meist ist es dabei ganz eng bei den Eltern und genießt deren Schutz. Deshalb fühlt sich ein Neugeborenes meist deutlich wohler, wenn es bei Mama oder Papa auf dem Arm ist als beispielsweise bei den Großeltern. Aber nach und nach lernt es, wie die Eltern auf bestimmte Personen reagieren und wird sein Verhalten anpassen, vielleicht weniger ängstlich sein und Berührungen von fremden Menschen wohlgesonnen zulassen.
Schließlich wird es mit zunehmendem Alter auch Interesse an anderen Kindern zeigen und mit ihnen kommunizieren wollen. Irgendwann, wenn vermehrt Kontakt zu anderen Kindern besteht, wird es lernen, Freundschaften zu schließen, sich zu streiten und auch mal zu raufen.

Credit: Lena von Blommalena

Meine Sorgen und Ängste.

Die Phase des Freundschaften Schließens haben wir bereits erreicht. Sind wir mit einzelnen anderen Kindern unterwegs, spielt Samuel auch oft gemeinsam mit ihnen und es wird richtig ausgelassen getobt und gelacht. Klar wird auch gezankt, vor allem um das Spielzeug, aber das ist ja auch völlig normal und gehört zur natürlichen Entwicklung eines Kindes.

Mich macht Samuels Verhalten in Gruppen dagegen mittlerweile ganz verrückt und ich frage mich immer wieder, wo wohl die Ursache für sein Weinen liegt. Ist ihm die Gesamtsituation zu viel? Ist es ihm zu laut? Hat er Angst vor den anderen Kindern? Und natürlich frage ich mich, ob und wann mit diesem Verhalten es einen richtigen Zeitpunkt für die Fremdbetreuung gibt.
Es fällt mir immer schwerer gelassen zu solchen Treffen zu fahren und es dort auch zu bleiben. Irgendwann bin ich automatisch gestresst oder genervt, weil ich einfach nicht verstehe was mein kleiner Samuel hat. So oft wünsche ich mir dann innerlich, dass er schon etwas größer wäre und mir sagen könnte, was ihn so verzweifeln lässt. Bis er das kann bleibt mir aber wohl nur eins: es immer wieder versuchen und ihm dabei so viel Zeit und Nähe zu geben, wie er braucht.

Habt ihr solche Situationen schon erlebt? Was tut ihr dann und was ist die Konsequenz daraus? Ich bin momentan völlig ratlos und dankbar für den Austausch hier.

Alles Liebe,
eure Jasmin